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Ich Töte

Ich Töte

Titel: Ich Töte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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die sich bei seiner Ankunft diskret zurückzog. Arijane war aufgestanden und hatte ihm die Arme um den Hals gelegt.
    »Ich kann akzeptieren, dass deine Anwesenheit mich das Halbfinale eines sehr wichtigen Turniers kostet, aber ich glaube, es wird mir schwer fallen, jedes Mal ein paar Jahre meines Lebens zu verlieren, wenn du das deine riskierst. Aber jetzt kannst du mich küssen, wenn du magst …«
    Von jenem Tag an hatten sie nicht mehr voneinander gelassen.
    Jochen zündete sich eine Zigarette an und blieb allein im Halbdunkel sitzen, um zu rauchen und die Lichter der Küste zu betrachten. Sie hatten ein Stück außerhalb von Cap Martin vor Roquebrune geankert, etwas rechts von dem großen, azurblauen »V«, dem Erkennungsmerkmal des Vista Palace, dem großen Hotel oben auf dem Berggipfel. Auf der linken Seite glänzte Monte Carlo herüber, schön und falsch wie dritte Zähne, in Licht getaucht, das es nicht verdient hatte, und in Geld, das ihm nicht gehörte. Seit dem Grand Prix waren drei Tage vergangen, und die Stadt war nach dem Andrang der Menge am Rennwochenende ziemlich schnell wieder zu ihrer gekünstelten Normalität zurückgekehrt. Wo kurz zuvor noch die Geschwindigkeit der Rennwagen dominiert hatte, floss der Verkehr wieder träge und wohl geordnet unter der warmen Maisonne, dieser Vorahnung des Sommers, der nicht mehr war wie früher, weder für ihn noch für irgendjemand sonst.
    Jochen Welder mit seinen vierunddreißig Jahren fühlte sich alt und hatte Angst.
    Er kannte sie gut, die Angst, sie war die ständige Gefährtin eines jeden Formel-1-Piloten. Sie begleitete ihn an jedem Samstag vor dem Rennen, unabhängig davon, welche Frau gerade sein Leben oder sein Bett teilte. Mittlerweile konnte er ihren Geruch sogar in 33

    seinen schweißgetränkten Anzügen riechen, die in den Boxen zum Trocknen aufgehängt waren. Lange Zeit hatte er seine Angst ebenso gehegt wie bekämpft, hatte sie jedes Mal vergessen, sobald er den Helm aufsetzte oder ins Auto kletterte, die Sicherheitsgurte anlegte und darauf wartete, dass Adrenalin seine Adern durchströmte. Diesmal war es anders, diesmal hatte er Angst vor der Angst. Vor jener Angst, welche die Vernunft über den Instinkt stellt, welche dich einen Augenblick früher als nötig den Fuß vom Gas nehmen und einen Moment zu früh das Bremspedal suchen lässt. Die dich plötzlich verstummen macht und nur noch durch die Uhr spricht, wenn sie dir vor Augen führt, wie schnell eine Sekunde für einen normalen Menschen vergeht und wie langsam für einen Fahrer.
    Das Handy, das in seiner Hülle neben ihm lag, begann zu klingeln. Er hatte geglaubt, es ausgeschaltet zu haben, und betrachtete es in der Absicht, dies jetzt nachzuholen. Dann zog er es mit einem Seufzer heraus und nahm das Gespräch an.
    »Wo zum Teufel bist du abgeblieben?«
    Die Stimme von Roland Shatz, seinem Manager, sprang aus dem Apparat wie die eines Quizmoderators aus dem Fernsehen, nur dass der üblicherweise nicht wütend auf die Kandidaten war.
    »Unterwegs …«, wich er aus.
    »Unterwegs, von wegen! Hast du auch nur die geringste Ahnung, was hier los ist?«
    Er wusste es nicht, aber er konnte es sich nur allzu gut vorstellen.
    Ein Fahrer, der ein so gut wie gewonnenes Rennen durch einen Fehler in der letzten Kurve verlor, war immer ein gefundenes Fressen für die Sportzeitungen der ganzen Welt. Roland ließ ihm keine Zeit für eine Erwiderung und fuhr fort.
    »Das Team hat alles versucht, um dich vor der Presse zu schützen, aber Ferguson tobt wie eine wild gewordene Hyäne. Das ganze Rennen lang hast du nicht ein einziges Mal überholt, du bist bloß an erster Stelle gefahren, weil alle anderen ausgeschieden oder stehen geblieben sind, und dann wirfst du den Sieg auf diese Weise weg!
    ›Jochen Welder verliert in Monte Carlo das Rennen und sein Gesicht‹, das war noch die freundlichste Schlagzeile.«
    Er versuchte, halbherzig zu protestieren.
    »Aber ich habe euch doch gesagt, dass irgendwas mit der Abstimmung …«
    Der Manager ließ ihn nicht einmal ausreden.
    »So ein Quatsch! Die Telemetrieprotokolle liegen vor und singen 34

    besser als Pavarotti. Der Wagen war perfekt, und bis es Malot den Motor auseinander gehauen hat, wurdest du doch nach Strich und Faden von ihm abgezockt, obwohl er am Start hinter dir war.«
    Francois Malot war der zweite Fahrer des Teams, ein junger, hochtalentierter Pilot, den Ferguson, der Manager des Klover-Formel-1-Racing-Teams, schon seit langer Zeit aufbaute und

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