Ich träume deutsch
fragte, gab ich ihm keine Antwort.
„Ali Amca, Nilgün ist böse auf dich, weil du uns nach Alaca gebracht hast“, sagte Mine.
Ali Amca gab keine Antwort. Er sah aus dem Fenster und stieß einen langen Seufzer aus.
Ali Amca sah mir in die Augen, und seine Mundwinkel fielen dabei fast auf den Boden herab. Er hatte feuchte Augen, dann drehte er seinen Kopf wieder weg.
Anne erzählte uns, wie traurig Ali Amca gewesen war, als er wieder in Deutschland ankam, nachdem er uns bei Babaanne abgeliefert hatte. Er hatte unseren Eltern sogar geraten, uns sofort wieder zurückzuholen. Aber Anne und Baba hatten das Geld für unsere Flugtickets nicht.
Vielleicht war Ali Amca doch nicht so böse, wie ich gedacht hatte, und vielleicht hatte ihm das wirklich sehr leid getan.
Baba parkte an der Straße vor unserem Haus.
Bei Helene war kein Licht zu sehen, es war ja auch mitten in der Nacht.
„Anne, ist Helene noch da?“
„Aber ja, Kızım, wo soll sie denn sonst sein?“
Ich ging gleich ins Wohnzimmer und mein Kater mit den weißen Schühchen lag faul auf dem Sofa und streckte sich.
|124| „Tekir, hast du mich vermisst oder hast du mich vergessen?“
Tekir sah genauso schön aus und roch auch genauso wie früher.
„Hast du mich vergessen?“
Tekir drehte sich um und schlief einfach weiter.
„Allahım, mein Kater kennt mich nicht mehr!“, sagte ich traurig, und alle lachten.
Unsere Wohnung hatte sich verändert. Es gab ein neues Sofa und einen Esstisch mit vier Stühlen. Anne und Baba hatten sich auch ein großes Bett gekauft, und für Ablam und mich stand ein Stockbett im Schlafzimmer.
„Anne, unsere Wohnung ist ja noch schöner als früher“, sagte Mine.
„Das stimmt, aber bald gehen wir für immer zurück in die Heimat“, sagte Annem.
„Dann brauche ich ja gar nicht mehr hier in die Schule gehen“, strahlte Mine.
Aber das war natürlich nicht möglich. Wenn in Deutschland die Kinder nicht in die Schule gehen, kommt gleich die Polizei und die Eltern müssen eine Strafe zahlen.
Ja, wir waren wieder in Deutschland und ich war wieder bei meiner Anne, bei Tekir und all den schönen Sachen.
„Habt ihr Hunger, Çocuklar? Ali und ich haben für euch gekocht. Es gibt Bohneneintopf mit Pilav“, sagte Baba ganz stolz.
„Baba, haben wir Brezeln da? Ich will Brezeln essen“, sagte Mine.
„Au ja! Ich auch, Baba!“, rief ich.
Aber der Bäcker hatte nachts nicht geöffnet wie in Alaca. Da war unsere Backstube bis Mitternacht auf und an Ramadan sogar die ganze Nacht.
|125| Aber die Bohnen und der Reis von Baba und Ali Amca waren auch sehr lecker.
Draußen war es schon fast hell, als wir ins Bett gingen. Ablam und ich durften unsere neuen Stockbetten ausprobieren. Das war das erste Mal, dass wir in einem richtigen Bett schliefen. Ich wollte oben liegen, weil ich unter meiner Abla Angst hatte. Die war doch so dick, womöglich wäre sie nachts auf mich gestürzt.
Als wir wieder aufwachten, standen die Brezeln bereits auf dem Tisch.
Es waren die besten Brezeln, die wir je gegessen hatten. In Alaca gab es keine Brezeln. Babaanne backte immer Maisbrot, oder es gab Dürüm. Deutsche Brezeln hatten wir sehr vermisst.
Beim Frühstück erzählten Ablam und ich alles, was wir erlebt hatten.
„Babaanne hat beim Abschied sogar geweint, obwohl sie nicht immer nett zu uns war“, erzählte Mine. Da bekam auch Baba ganz feuchte Augen.
„Anne, sind Paula und Giuseppe noch da?“
„Evet, Kızım, alle sind noch da und freuen sich auf meine zwei hübschen Töchter!“
Gleich nach dem Frühstück malte ich ein Bild für meinen Yalcin und ein Bild für meine Babaanne. Yalcin hatte sicher in seinem ganzen Leben noch nie einen Brief bekommen. Er konnte ja auch nicht lesen. Umso mehr würde er sich über ein Bild freuen. Ich malte das Haus von Babaanne, Yalcin und mich und den roten Ball mit den weißen Punkten. Anne hatte mir versprochen, dass ich Yalcin bei unserem nächsten Besuch in Alaca den Ball schenken durfte. Babaanne malte ich ein Bild mit einer Sonne, einem Haus und einem Stück Kandiszucker. Ich malte auch noch Brezeln und ein Stockbett, |126| und dann machte ich eine Brücke zwischen den Sachen in Alaca und denen in Deutschland.
Wie schön wäre es gewesen, wenn es wirklich eine Brücke zwischen Alaca und Deutschland gegeben hätte!
„Allahım, ich weiß, du kannst alles machen, aber kannst du auch so eine Brücke bauen? Wenn du das für mich machen würdest, würde ich Tag und Nacht beten. Das
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