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Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich

Titel: Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Bettermann
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Michalis etwas ungehalten auf meinem Handy. »Ich habe dich schon vor zwei Minuten einmal angerufen!«
    »Oh, entschuldige, Onkel, aber ich habe einfach das Klingeln überhört …«
    »Warum stellst du es denn nicht lauter?!? Man hat doch kein Handy, um es NICHT zu hören!«
    Auf einem Handy in meiner Umgebung bekomme ich später den Sommerhit des vergangenen Jahres vorgespielt, es ist ein griechischer Rap. Er trägt den Titel Greek Lover , und der Refrain geht so: »Yes, hello, I’m a Greek lover and I love you so«. (Oder besser gesagt: »Yes, chällo, I’m a Greek lowär and I low you so«.) Von derselben Gruppe, »Imiskoumpria«, gibt es außerdem ein lustiges Video zu einem weiteren Song namens »O kyris to spitiou« (der Herr des Hauses), da geht esum einen typisch griechischen Patriarchen, der sich von der Ehefrau bedienen lässt und die Tochter verprügelt, weil sie es wagt, erst in den Morgenstunden zu Hause zu erscheinen. Um dann dem Sohn, der noch später heimkehrt, auf die Schulter zu klopfen und ihm zu seinen Eroberungen zu gratulieren.
    Also gibt’s auch die negativen Seiten des »alten« Griechenland noch – wenn auch vielleicht nur als gerappte Anekdote.
    Es existieren außerdem nach wie vor typisch griechische Tavernen mit echt griechischem Essen, sogar noch die Souvlaki -Läden an der Touristenmeile »Monastiraki«, wo ich jetzt eigentlich ausschließlich Fast-Food-Ketten vermutet hätte. Das Kebab kommt immer noch in einer Größe auf den Tisch, die einen Mitteleuropäer für zwei Tage sättigt, und schmeckt hervorragend. Die Kartoffeln aber nicht – sie riechen, als hätten sie ein paar Runden zu viel in der Fritteuse gedreht. Die halten mich wohl für eine doofe Touristin und glauben, sie können mir alles andrehen?!
    » Garsoni! Nehmen Sie diese Kartoffeln und bringen Sie mir frische!«, versuche ich mich in bester Athener Arroganz. Der Kellner sagt: »Aaaah, die Kyria , Dame, spricht Griechisch!« und eilt.
    Die nächsten Patates bleiben aber ebenfalls fast unberührt, was ihm beim Bezahlen auch auffällt: »Warum haben Sie die denn nicht gegessen?«
    »Sie schmecken nicht«, sage ich. »Das sind ja Tiefkühlpommes!«
    »Ja«, gesteht er traurig und nimmt sich einen Moment Zeit: »Ich nenne sie Plastikes Patates, Plastikkartoffeln. Früher gab es jemanden in der Küche, der noch echte Kartoffeln geschnitten hat. Das dauert nur ein bisschen länger, doch die Kartoffeln schmecken viel besser. Aber heute muss ja immer alles tsaka tsaka gehen!«
    Tsaka tsaka, zackig, schnell – den Ausdruck kenne ich noch aus meiner Kindheit, und im heutigen Athen höre ich ihn besonders oft. Klar, Zeit ist Geld, der moderne Alltag bedeutet Stress, und die Erkenntnis, dass sich das Leben in der immer schon hektischen griechischen Hauptstadt noch weiter beschleunigen musste, ist sicher banal – doch wo sonst gibt es dafür so einen charmanten Begriff wie tsaka tsaka?
    Auch bei Cousine Anna muss heute alles fix gehen. Die Keftedes und Soutsoukakia und Gemistes auf ihrem Tisch kommen deswegen nicht etwa aus ihrer Küche, sondern vom Lieferservice: »Ein Anruf, und schon steht alles auf dem Tisch – tsaka tsaka! «, schwärmt Anna, und es schmeckt wie hausgemacht. Denn mieses Essen lassen die Griechen sich kaum andrehen.
    Sie ist immer noch sorgfältig geschminkt, die wilden Locken trägt sie nach wie vor sehr lang – allerdings sind sie nun blond. Und irgendwie wirkt Anna kleiner, als ich sie in Erinnerung hatte. Denn ihre Füße stecken in flachen Sandalen. Ihre Fingernägel sind außerdem kurz und unlackiert, und statt eines figurbetonten Kleides trägt sie leichte, bequeme Hosen: Anna ist nämlich Mutter von Zwillingen. Jungs. Aristides und Michalis gleichen sich wie ein Ei dem anderen und sind wiederum Annas Mann Louis wie aus dem Gesicht geschnitten: der gleiche freche Augenaufschlag, der gleiche geschwungene Mund, sogar der gleiche braune Wirbel im Haar über der linken Braue. » Ta kotopoulakia mou, meine Hühnchen«, sagt Anna liebevoll, als sie sich einen Moment lang um sie scharen – bevor sie wieder wie aufgescheuchte Küken von einer Ecke zur anderen flitzen. Und kaum hat man eines an den Tisch geholt, ist bereits das andere davongeflattert, zu dem blinkenden ferngesteuerten Rennwagen im Gang, zu der ausgekippten Autokiste im Wohnzimmer. Dann hat einer den versteckten Ball vom Schrank geholt und bolzt damit durchs Haus,und Anna schreit: » Prosochi , Vorsicht, der Spiegel!« und: » Prosochi ,

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