Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich
mochte er sich nie auf sein genaues Ankunftsdatum festlegen: »Ich komme vielleicht am Dienstag. Vielleicht auch Donnerstag. Jedenfalls sicher vor Sonntag!«
»Siga, siga, langsam«, sagt der Onkel jetzt und macht beschwichtigende Handbewegungen. »Nun setzen wir uns erstmal in aller Ruhe hin und trinken was. Wir haben doch Zeit! Wir sind ja im Urlaub!« Also bestellen wir Wasser und Bier in dem Giros -Laden neben dem kleinen Reisebüro, und währendich beobachte, wie einige der anderen Fährgäste sich wahrscheinlich gerade die letzten verfügbaren Zimmer schnappen, lässt sich mein Onkel in aller Ruhe von dem jungen Wirtspärchen die Lebensgeschichte erzählen – und alles Wissenswerte über die Insel:
Die Giros -Wirtin ist eine verarmte Schuhfabrikantentochter aus Athen, ihr Mann in der Küche kommt von der kleinen Insel, kennen gelernt haben sie sich auf Rhodos, und sie halten das Geschäft auch im Winter offen, wenn die übrigen Familienbetriebe im Ort schließen. Das wären: das sacharoplastio , die Konditorei, in dem die Töchter der Konditorin bedienen, die Tavernen, in denen die Omas und Tanten in der Küche stehen, und das einzige »richtige« Hotel, in dem die Ex-Schwägerin des Managers kocht. (Dass sie von seinem Bruder geschieden ist, bedeutet ja nicht, sie gehört nicht mehr zur Familie.) Außerdem der Bäcker mit seinen drei erwachsenen Söhnen und einer Schwiegertochter, die als Dorfschönheit gilt, und die Albaner: Sie bauen die alten Ruinen hier wieder auf – sie beherrschen die alten Bautechniken. Dann kommen reiche Italiener und kaufen die wiederhergestellten Häuschen für teures Geld als Urlaubsdomizil.
Die Kinder der Albaner besuchen die kleine Dorfschule mit denen der wenigen griechischen Familien im Ort, und deshalb leben eine Menge junger Lehrer aus Athen hier: Wer will, kann in der kleinen Schule sogar die Abitursprüfung ablegen – auch, wenn manche Klassen nur aus einem einzigen Schüler bestehen.
Neuerdings existiert in den Sommermonaten sogar ein Bus, er fährt an den Strand und zum Kloster im Inselinneren, wo der Mönch mit seiner Frau wohnt. (Jawohl! Denn er ist eigentlich gar kein Mönch und wird nur so genannt – er ist der Verwalter.) Und dann ist da noch der junge Busfahrer, ein gut aussehender Kerl, der wirkt, als würde er sein Dasein inAthens Nobeldiskos fristen. Tatsächlich arbeitet er als Volkstanzlehrer in der Schule (sein Winterjob) und lebt ganz allein oben am Berg in dem halbverfallenen alten Chorio , Dorf, in seinem renovierten Elternhaus, wo er sich der Gartenarbeit widmet: Wenn jeder hier auf der Insel nur einen Baum pflanzen würde, wäre die Welt eine bessere, findet der Busfahrer.
Ab Mai kommen dann die Feriengäste: ein paar Italiener und einige ältliche britische Paare, die die Ruhe genießen. Viele Stammgäste, die zum Inventar gehören. Mein Onkel schmunzelt über diesen Mikrokosmos und lässt den Blick schweifen über die hübschen pastellfarbenen Häuschen, die bis ans Wasser gebaut sind. Schließlich trottet ein wuschliger weißer Hund heran und legt sich genau vor Onkels Füßen zu einem Schläfchen. Da taut Michalis richtig auf: »Ich liebe Hunde!«, sagt er, trotz der schlechten Erfahrungen damals in Deutschland. (Der weiße Hund scheint die Liebe zu erwidern und trottet dem Onkel jeden Abend hinterher.) Dann werden Pita-Souvlakia mit Kartoffeln gebracht, die eine alte Frau in der Küche noch von Hand schneidet, und Michalis sagt: »Hier ist es ja, als wäre die Zeit stehen geblieben! Wie habt ihr dieses Paradies bloß entdeckt!?« Also winkt er die Reisebürodame an den Tisch und schwatzt ihr eine Unterkunft ab, obwohl gar keine mehr frei ist. Doch sie hat natürlich noch was in der Hinterhand für spezielle Gäste wie den Kyrie Michali , den Herrn Michalis mit dem charmanten Lächeln, ganz nah bei unserem Urlaubshaus.
»Ich reserviere niemals im Voraus. Und ich musste noch nie am Hafen schlafen!«, sagt der Onkel. Und das ist wieder mal typisch für meine Familie – wie damals, als wir mit Yiayia und Pappous in Methana waren.
Morgens kommt der Onkel immer gegen zehn Uhr rüber, und ich serviere ihm seinen Nescafé. Kalt, wie er ihn mag. Am dritten Morgen nimmt er mir den Kaffeebehälter aus derHand und sagt: »Nimm’s mir nicht übel – aber ein richtiger Kaffee ist eine Kunst.« Er kneift die Augen zusammen und misst einen vollen Teelöffel Kaffeepulver ab. Dann noch einen halben. Nun gießt er fingerbreit Wasser auf, hält das Glas
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