Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich
genommen! Was meinst du, was für Partys Alexis bei uns zu Hause gefeiert hat!«
»Trotzdem, bei uns in Deutschland wäre das merkwürdig, wenn jemand mit dreißig noch zu Hause wohnt: Stell dir vor, er würde eine Frau kennen lernen – und dann erfährt sie, dass er noch zu Hause bei Mami lebt. Da würde sie sicher Reißaus nehmen.«
Da wird Onkel Michalis nachdenklich. »Du meinst, er würde als Muttersöhnchen gelten?«
Ich nicke.
»Dann wirst du ihn wohl gehen lassen müssen, mit zwanzig, fünfundzwanzig, wie die anderen Deutschen.«
Ich nicke. »Spätestens!«
»Aber es wird dir schwerfallen!«, sagt Michalis. »Du bist froh, wenn die Kinder da sind und alle ihre Freunde mitbringen. Dann kochst du und willst, dass sie alle satt werden indeinem Haus. Ich kenne dich, als wärst du meine Tochter. Ein bisschen griechisch bist du doch!«
Da hat er mich ertappt. Ich nötige wirklich allen Freunden ganz automatisch noch eine zweite Portion auf, oder eine dritte (iss, iss – fage, fage ). Wenn Familienmitglieder aus dem Haus gehen, vergesse ich nie (wirklich nie), ihnen ein besorgtes »Und pass auf der Straße auf, proseche!« nachzurufen. Nur die Worte min trechis verkneife ich mir. Aber das fällt mir auch nicht leicht.
Ich sehe heute auch viel griechischer aus. Die hellbraunen Locken meiner Kindheit und Jugend sind einer dunklen Krause gewichen, und wenn ich die Brille abnehme, erkenne ich Pappous’ dunkeläugigen Blick im Spiegel wieder – und mit dem Älterwerden auch Yiayias Lächeln.
Doch sonst bin ich total deutsch. Fleißig, genau und sorgfältig. Da ist nichts von griechischer Laxheit. Ich bin eine Ameise, keine Grille!
Die alte Geschichte hat mir noch meine Yiayia erzählt: Die Ameise hortet den ganzen Sommer Lebensmittel, doch die Grille singt und zirpt und lacht über die emsige Ameise, die ihren Tag nicht genießt, sondern immer nur Vorräte zusammenträgt. Doch dann kommt der Winter, die Grille hungert, da geht sie zur Ameise, und die sagt: »Hättest du den Sommer nicht nur gesungen und getanzt« – und so weiter.
»Onkel, ich bin eine Ameise, wie in Yiayias Märchen. Das ist doch typisch deutsch an mir, findest du nicht?«
»Baaah, ach was!«, sagt der Onkel. »Das ist nicht typisch deutsch. Das ist typisch für unsere Familie, deren Gene du in dir trägst.« Und dann holt er ganz weit aus:
Unsere Familie stammt zwar aus Kleinasien, doch hat sie dort erst seit wenigen Generationen gelebt: Die Familie des Pappous kommt ursprünglich aus Karpathos. Dieses Eiland war einst so arm, dass es schwer war, ein Auskommen zuerwirtschaften, und so zog es ihre Bewohner in die Ferne. Mein Urahn kam auf diese Weise sogar in den Sudan, wo gerade die Eisenbahnlinie gebaut wurde.
Mit seinem Fleiß schaffte er es dort, sich aus den Scharen bemitleidenswerter Eisenbahnarbeiter hochzuarbeiten, und er wurde zum Wasserreicher: Er musste die Arbeiter, die in der Hitze die Schienen verlegten, mit Wasser versorgen. Der Urahn war aber nicht nur besonders tatkräftig und tüchtig – er besaß außerdem ein äußerst hitziges Temperament. Eines Nachts geriet er mit dem Vorarbeiter in Streit und schlug ihn nieder. Ob er ihn tötete, das weiß keiner – nicht mal der Ur-Pappous selbst wusste es, denn er ließ den Vorarbeiter liegen und floh nach Ägypten. In Alexandria bestieg er das nächstbeste Schiff, das im Hafen lag: Zufällig fuhr es nach Kleinasien, und nur deshalb siedelte er sich dort an.
Manche der Kunden und Freunde, die meinen Pappous in seinem Laden am Hafen von Piräus aufsuchten, wussten, dass seine Familie ursprünglich aus Karpathos stammte, und als meine Mutter ins heiratsfähige Alter kam, standen die Karpathosstämmigen bei meinem Großvater Schlange, um für ihre Söhne um die Hand meiner Mutter anzuhalten. Die karpathiotisses – die Frauen aus Karpathos, denen Mama zugerechnet wurde – galten nämlich ihrerseits als besonders fleißig. Während die Männer Abenteuer wie das meines Urahns erlebten oder zur See fuhren und ihre Frauen und Kinder jahrelang oder auch für immer im Stich ließen, hielten sie die Dinge auf der Insel am Laufen, diese zähen, arbeitsamen karpathiotisses . Und wer wünscht sich nicht solch eine Frau – auch wenn er nicht plant, zur See zu fahren?
»Deinem Pappous sind die Bewerber aber sehr auf die Nerven gefallen, er hielt von altmodischen Kuppeleien nicht viel«, erklärt Onkel Michalis – von meiner Mutter ganz zu schweigen. Irgendwo aber schlummere auch in
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