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Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich

Titel: Ich trink Ouzo was trinkst du so - Meine griechische Familie und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Bettermann
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mir eine fleißige karpathiotissa , sagt Michalis augenzwinkernd. Dabei war ich in meinem Leben noch nie auf Karpathos!
    Dort gibt es noch entfernte Verwandte, die den Familiennamen tragen. Im nächsten oder übernächsten Sommer wollen Onkel Michalis und ich unbedingt hinfahren und sie treffen.

    Ins Haus in der Monemwassias habe ich mich nicht gleich getraut, beim ersten Athen-Besuch nach all den Jahren. Ich musste mich erst ein paar Tage orientieren und meinen Mut zusammennehmen. Wovor ich Angst hatte? Vielleicht davor, endlich ganz und gar Abschied nehmen zu müssen von denen aus der Familie, die nicht mehr sind: Yiayia und Pappous, Meri und Giorgos und noch viele andere. Dass sie gestorben sind, war mir natürlich längst klar, doch hatten die Nachrichten darüber uns stets in Deutschland erreicht, wo sie irgendwie abstrakt klangen und uns nicht so sehr berührten wie die Familie vor Ort. Nur Mama hatte noch oft in dem Haus gewohnt. Sie hatte es ein wenig renoviert und ein paar neue Möbel erstanden, und als sie in den Ruhestand ging, verbrachte sie ihre Sommermonate dort, traf sich mit alten Schulfreundinnen und Verwandten, fuhr auf die Inseln zum Baden oder einfach dorthin, wo früher das Paraskevas-Bad war (jetzt ist dort ein öffentlicher Stadtstrand). Aber das ist auch schon wieder Jahre her.
    Der Bus fährt nicht mehr seine alte Strecke, sondern ein paar Parallelstraßen weiter hinten entlang, und keines der Häuser hier ist mir vertraut. Es handelt sich um moderne, mehrgeschossige Wohnblocks, die erst in den letzten Jahren hochgezogen worden sind. Keine Ahnung, wie ich hier Yiayias altes Haus finden soll. Doch dann folge ich einem plötzlichen Impuls und springe bei der nächsten Haltestelle auf die menschenleere Straße. So, und nun? Ich habe keine Ahnung, wo ich mich befinde.
    Dann marschiere ich einfach los, und plötzlich stehe ich vor der alten paidiki chara , wo ich früher meine Käsebrote heimlich im Kies verbuddelte. Einsam liegt der Spielplatz in der Mittagshitze, die Kinder sind nun beim Essen, und vielleicht wird er auch gar nicht mehr genutzt – in Deutschland wären die altmodischen Geräte mit den viel zu steilen Wippen und den rostigen Gerüsten vom TÜV verboten, denn sie sind sicher ein halbes Jahrhundert alt.
    Nun sehe ich auch die Apotheke an der Ecke zur Monemwassias. Also hat meine Intuition mir den richtigen Weg gewiesen. Als ich weitergehe, pocht mein Herz mit jedem Schritt ein wenig heftiger.
    Dann sehe ich es vor mir, eingekeilt zwischen höheren Bauten, und es ist so winzig, dass ich fast vorübergehe: Kann das Pappous’ stolzes großes Haus sein?
    Es wirkt geschrumpft wie eine trockene Feige, doch es ist wirklich unser altes Haus. Die aufwendig verzierte Tür lässt keinen Zweifel – wenn sie auch verstaubt ist und der Lack an manchen Stellen abblättert.
    Der Schlüssel dreht sich ohne Widerstand im Schloss: Onkel Michalis sieht hier regelmäßig nach dem Rechten, und so finde ich kein leeres Zimmer vor, sondern möblierte Räume.
    Im Gang stehen nun Korbstühle, und auch der lange Vorhang zur avli ist mir noch unbekannt – aber irgendwie vertraut: Mama hat ein gedrucktes Muster dafür ausgesucht, das den Stickereien auf den alten Portieren so nah wie möglich kommt.
    Im Salon gibt es noch Yiayias und Pappous’ Möbel mit den Gobelinüberzügen, und das Tischchen ist mit der alten geklöppelten Decke geschmückt. Doch die Familienfotos sind alle fort: Vor ein paar Jahren holten Einbrecher sie von den Wänden und schnappten sich auch die handbetriebene Singer-Nähmaschine meiner Yiayia, die noch aus Kleinasien stammte.Die Sachen sind wohl am Monastiraki auf dem Flohmarkt gelandet, und Touristen haben unsere Familienfotos für ein paar Münzen als Souvenirs gekauft. Wenn Mama davon spricht, wischt sie sich heute noch die Augen.
    Der Fußboden im nächsten Raum knarrt noch wie früher, und als ich am Spiegel von Yiayias Kleiderschrank vorbeigehe, zucke ich zusammen und denke, Mama steht plötzlich vor mir – so, wie sie früher aussah, nicht als die alte Frau, die sie heute ist. Aber das bin ja nur ich!
    Die avli erscheint mir winzig, und einen Moment glaube ich, ein Teil würde fehlen, doch ist auch sie einfach nur in der Erinnerung größer gewesen. Gesäumt wird sie immer noch von Yiayias alten Pflanzenstöcken in den großen Blechtöpfen, die einst Olivenfässer waren, und sie wird beschattet von dem Wein, der darüberwuchert und sogar Reben trägt.
    Pappous’ riesiger

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