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Ich uebe das Sterben

Titel: Ich uebe das Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gritt Liebing
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suche mit Basti eine Tierklinik auf. Dort wird er komplett auf den Kopf gestellt, doch auch da kommen die Ärzte zum selben Resultat. Ich bin verzweifelt, gebe aber auch – wie immer – nicht auf. Basti scheint von alledem nichts mitzubekommen und freut sich seines Lebens.
    Weil er sich mit anderen Hunden so gut versteht, schwirrt mir bald ein verrückter Gedanke durch den Kopf: Was wäre, wenn wir für Basti einen vierpfötigen Kumpel suchen würden?
    Bei meinen Recherchen in Zeitschriften und im Internet stoße ich auf den vierzehn Wochen alten Matzi, einen Australian Shepherd. Harald und ich machen uns wieder mal auf den Weg zu einem Hund; diesmal führt uns unsere Reise in den Osten, und Basti ist natürlich mit von der Partie.
    Als ich Matzi dann zum ersten Mal sehe und in seine himmelblauen Augen blicke, ist es wieder um mich geschehen. Glücklicherweise hat auch Basti nichts gegen den anderen Hund: Die beiden Jungs beschnüffeln sich kurz und scheinen sich ziemlich egal zu sein. Wir haben eigentlich keine Ahnung, was das bedeutet, gehen aber davon aus, dass die beiden wohl irgendwie miteinander klarkommen.
    Daher unterschreiben wir einen zweiten Schutzvertrag und Merlin, wie unser neuer Hund ab sofort heißen soll, sitzt kurze Zeit später mit Basti auf dem Rücksitz im Auto in Richtung Göppingen.
    Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase sind Basti und Merlin unzertrennlich und zerkleinern gemeinsam Toilettenpapier und Holzregale. Basti blüht förmlich auf, auch wenn Merlin ihm beim Spielen mit seinen spitzen Welpenzähnen noch oft kleine Löcher in die Ohren stanzt.
    Und mir tun die beiden nur gut. Egal, was mein Herz veranstaltet, die Hunde sind immer da. Sie trösten mich, sie erheitern mein Gemüt, und sie erlauben es mir nie, mich hängenzulassen. Aufstehen und rausgehen – so einfach dieses Bedürfnis der Vierbeiner auch ist, so wichtig ist es für mich, wenn ich mich manchmal am liebsten verkriechen möchte. Hunde lieben bedingungslos, stellen keine Fragen, und ihnen ist es egal, ob ich krank oder gesund, alt oder jung, arm oder reich bin. Hunde sind Balsam für die Seele.

Wartezeit
    G egen Ende des Jahres heißt es, so allmählich Abschied von Ted zu nehmen. Die Kerckhoff-Klinik hat angekündigt, dass ich Mitte des neuen Jahres einen neuen Defibrillator brauche, da Teds Batterie allmählich schwächer wird.
    Mir graut bei dem Gedanken an eine weitere Operation und einen weiteren Krankenhausaufenthalt. Und noch nicht einmal meine beiden Hunde schaffen es, mich vom Gedanken an Teds Nachfolger abzulenken.
    Für Abwechslung sorgt die Einladung meiner Eltern, über Silvester in die Steiermark zu fahren. Sie spendieren uns den Aufenthalt in einer kleinen Pension in einem kleinen Ort. Da meine Mutter dort aufgewachsen ist, komme ich schon seit meiner Kindheit regelmäßig dorthin und kenne mich bestens aus. Es ist herrlich – klare Luft, verschneite Berge, gutes Essen, glückliche Hunde und noch glücklichere Menschen.
    Ich kann dort nicht sein, ohne wenigstens einmal auf die Alm gewandert zu sein. Daran können mich auch die Schneemassen nicht hindern. Mühsam bahnen wir vier uns unseren Weg bergauf. Der kleine Merlin versinkt fast komplett im Tiefschnee, und deshalb schultert Harald ihn nach der Hälfte der Strecke. Es zieht Nebel auf, der Wind wird stärker, und wir verlieren die Orientierung. Die Wanderung wird zum echten Abenteuer.
    Gerade, als wir darüber diskutieren, ob wir einfach umdrehen und zurückgehen sollen, taucht in der Ferne die heißersehnte Hütte auf. Also doch: Endspurt!
    Wir kehren in der Hütte ein, wärmen uns auf und verwöhnen uns mit gutem Essen. Es ist urgemütlich. Ein Stück meiner Kindheit wird sehr lebendig, und auf dem Berg verschwende ich keinen einzigen Gedanken an Ted und seinen Nachfolger. Ich bin einfach frei. Es zählt nur das Jetzt, sonst nichts.
    Auf dem Rückweg entschließen wir uns, die breite Forststraße entlangzulaufen, die für Fahrzeuge frei und vom Schnee weitgehend geräumt ist. Hier kommen wir viel schneller und kräftesparender vorwärts – und wieder sicher im Tal an.
    Entspannt und mit vielen tollen Erinnerungen im Gepäck kehren wir zurück in den Alltag. Ich nach Göppingen, Harald nach Darmstadt.
    Es ist manchmal anstrengend, den Spagat zwischen dem Job, den Hunden und der Fernbeziehung mit Harald zu schaffen. Zum Glück hält wenigstens Ted die Füße still; ich fühle mich körperlich wohl.
    Ende Januar treten wir schon die nächste Reise an.

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