Ich uebe das Sterben
ärgern, und steuere gradewegs auf das Gate zu, von dem aus mein Flugzeug startet.
Zunächst fliege ich bis Chicago, von dort nach Los Angeles, um dann nach Big Island zu fliegen. Es liegt also eine lange Reise vor mir. Flugangst kenne ich glücklicherweise nicht, und so macht es mich nicht nervös, dass ich so oft starte und lande, bis ich am Ziel bin.
Sowohl in Chicago als auch in Los Angeles verpasse ich den sehr knapp geplanten Anschlussflug, was mich jedoch auch nicht weiter aus der Fassung bringt.
Endlich lande ich in Kailua Kona und werde mit den Worten »Welcome to paradise« begrüßt. Es ist ein ergreifender Moment, den ich auf ewig festhalten möchte.
Als ich mit den anderen Flugpassagieren über das Rollfeld zur Gepäckausgabe laufe, ist es dunkel und warm, und ich sehe überall Palmen. Verträumt schaue ich in die Dunkelheit und bin glücklich. Genauso habe ich es mir vorgestellt, das Paradies.
Sollte der Herr im schwarzen Gewand mich früher oder später mitnehmen, wäre so ein warmer Ort unter Palmen der perfekte Platz für mich, um dort die Ewigkeit zu verbringen. Doch an den Tod möchte ich keinen Gedanken verschwenden, sondern einfach meine Zeit hier genießen.
Ich werde von ein paar Mitarbeitern von Hannes Hawaii Tours begrüßt – und zwar mit dem obligatorischen Blumenkranz, dem Lei, was so viel heißt wie »Herzlich willkommen«.
Mein Hotelzimmer, das ich mir mit einer Kollegin teilen werde, ist groß und schön und hat einen Balkon, direkt mit Blick aufs Meer. Nein, noch besser, mit Blick auf die Schwimmstrecke des Ironman-Triathlon.
Lange kann ich die Aussicht nicht genießen. Müde falle ich ins Bett und schlafe traumlos, bis nur sechs Stunden später der Wecker meinen ersten Tag auf Big Island einläutet.
Das Team rund um Hannes ist lustig, und die Arbeit im Büro macht unglaublich viel Spaß, auch wenn wir immer bis spät in die Nacht hinein beschäftigt sind. Immerhin betreuen wir rund vierhundert Triathleten und ihre Familien.
Da gibt es zum einen die Sorgen und Nöte der Sportler, die mit der Hitze, dem Salzwasser oder den Wellen nicht klarkommen, und die man versucht aufzubauen. Dann sind da Kinder mit Sonnenbrand, Frauen, die in Seeigel treten, und Reisende, die mit ihrer Unterkunft nicht zufrieden sind. Aber auch viele, einfach nur nette Menschen, die sich auf die bevorstehenden Weltmeisterschaften im Ironman-Triathlon freuen und zu Recht stolz sind, dass sie sich qualifiziert haben.
Jeder einzelne Athlet hat hart trainiert und sicher auch Familie und Freunde vernachlässigt, nur um einmal im Leben dabei zu sein, beim Ironman auf Hawaii. Da ist es nur verständlich, dass jeder möchte, dass einfach alles perfekt ist. Hannes und sein Team – also auch ich – wollen dazu beitragen, die Zeit in Hawaii zu einem einmaligen Erlebnis zu machen.
Ein kleines bisschen Ironman-Feeling gönne ich mir auch. Jeden Morgen um kurz nach sechs Uhr schnüre ich die Laufschuhe und drehe eine Runde auf der Wettkampfstrecke und schwimme danach im Meer. Die Schwimmstrecke ist vormittags für drei Stunden mit Booten gesichert, sodass ich dort unbekümmert meine Bahnen ziehen kann. Das Schwimmen ist ein irres Erlebnis, denn das Wasser ist so klar, dass ich unter mir gelbe und türkisfarbene Fische beobachten kann. Selbst eine riesige Schildkröte leistet mir Gesellschaft. Das ist inmitten des ganzen Triathlon-Spektakels einfach nur ein wunderschönes Naturerlebnis. Ich fühle mich als Teil von etwas ganz Großem.
Eines Abends starte ich eine kleine Laufeinheit – hinein in den Sonnenuntergang, der auf Hawaii sehr kurz ist. Es wird innerhalb kürzester Zeit stockdunkel. Obwohl ich das weiß, habe ich mich mit der Zeit verschätzt und muss mich beeilen, denn ich trage weder eine Stirnlampe noch Reflektoren. So bin ich mehr oder weniger unsichtbar am Straßenrand.
Plötzlich höre ich ein lautes, schmatzendes Geräusch. Ich bin ja wirklich Tierfreund, aber da ich nicht sehe, welches Tier da gerade was frisst, habe ich zunächst ein mulmiges Gefühl. Doch was ich dann im fahlen Licht erkennen kann, lässt mein Herz höher schlagen: Mindestens fünfzig Katzen und Mungos sitzen beieinander und fressen ganz friedlich gemeinsam Trockenfutter, das dort ganz offensichtlich für die Tiere bereitgestellt wurde. Ich will nicht stören und keins der Tiere erschrecken, und so laufe ich vergnügt zurück zum Hotel.
Mit diesem Erlebnis im Hinterkopf habe ich einen geschärften Blick für die Haustiere auf
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