Ich uebe das Sterben
der sich uns dort bietet, wird mich beim Wettkampf sicher für all die Anstrengungen entschädigen, die zu diesem Zeitpunkt schon hinter mir liegen werden. Wir halten an und genießen den Augenblick an dem tiefblauen See. Mitten im See ist eine kleine Insel, auf der in riesigen Buchstaben »Ironman« steht. Das ist ein echter Gänsehautmoment.
Andy und ich fahren mit dem Auto weiter in Richtung Rupertiberg. Einen Kilometer vor dem Anstieg steige ich aus dem Auto aus, setze ich mich auf mein Rad und bezwinge den Berg. Er ist hart und lang – zweifellos –, aber ich habe bestens trainiert, und das macht sich jetzt bezahlt. Es beruhigt mich, wie ich den Anstieg bewältige. Die Zweifel bezüglich des Wettkampfs schwinden, und ich bin gut gelaunt, als wir das Rad wieder in den Kofferraum laden und ich mich ins Auto setze.
Nachmittags fahren Harald, Andy und ich zum ersten Mal zum Start-Ziel-Bereich, um meine Startunterlagen abzuholen. Ich bin glücklich, als ich mein Starter-Package in den Händen halte und das Armbändchen an meinem Handgelenk baumelt. Dieses Armband ist sozusagen die Eintrittskarte für die Athleten. Stolz betrachte ich das orangefarbene Band mit dem Ironman-Logo und der Aufschrift »althlete«. Jetzt ist es so weit: Ich bin dabei, beim Ironman Austria.
Bei unserer Rückkehr in die Ferienwohnung treffen wir Kerstin und Alex, die gerade ankommen. Mit ihnen teilen Harald und ich uns die Ferienwohnung, während Andy sich ein extra Zimmer gemietet hat.
Als wir abends alle zusammen am Tisch sitzen und Steak und Kartoffeln essen, bin ich wieder voller Zweifel, müde und schlapp.
In der Nacht finde ich fast keinen Schlaf, wälze mich hin und her und sehne den Wettkampftag herbei. Die Anspannung wird immer größer. Und ich habe Angst, dass Bob sich doch noch meldet. Mein Körper hat sich zwar gut an die Höhe gewöhnt, aber mein Herz schlägt doch immer wieder nicht ganz so, wie es sollte.
Freitagmorgen fahren Harald und ich nach einem kleinen Frühstück zum Start-Bereich. Im Gepäck habe ich den Neoprenanzug, denn ich möchte im Wörthersee schwimmen. Am See tummeln sich fast nur Athleten. Ich sehe die gebräunten, gestählten Körper und wie sie sich locker, geschmeidig und in einem enormen Tempo im Wasser vorwärtsbewegen. Im Vergleich mit ihnen fühle ich mich bleich, unförmig und lahm. Aber das Wasser lässt mich das alles vergessen. Es ist glasklar und angenehm warm. Allein das Schwimmen an sich fällt mir schwer, denn mein Herz gerät erneut aus dem Takt. Als ich wieder an Land bin, versuche ich, nicht weiter darüber nachzudenken, und genieße den Sonnenschein.
Nachmittags treffen Ralf und seine Frau Inés bei uns im Haus ein. Ich freue mich, dass sie da sind, denn es ist mir sehr wichtig, Ralf bei dem großen Wettkampf vor Ort zu haben.
Vor der großen Pastaparty verwandeln Kerstin und Inés mich dank ihrer Schmink- und Frisurenkenntnisse in eine – wie ich finde – sehr coole Triathletin. Selbstbewusst mache ich mich gemeinsam mit Harald und Andy zur Party auf. Das Zelt ist voll, das Essen und die Getränke reichlich und gut.
Während des Essens läuft ein Film vom letzten Ironman Austria. Die Bilder motivieren mich bis in die Haarspitzen. Ich erinnere mich nicht, in meinem Leben etwas so sehr herbeigesehnt zu haben wie diesen Wettkampf.
In der folgenden Nacht schlafe ich erstaunlich gut, auch wenn ich ein weiteres Mal davon träume, dass ich mich mit dem Rad verfahre.
Der Countdown läuft: Mit den ersten Sonnenstrahlen des frühen Morgens bin ich wach und schwinge mich für eine letzte Bewegungseinheit eine halbe Stunde lang auf mein Fahrrad. Die Knie schmerzen, und ich friere. Aber mein Rad ist perfekt, die Bremsen greifen, die Schaltung läuft wie Butter.
Danach fahren Harald und ich zur obligatorischen Wettkampfbesprechung. Meine innere Unruhe wird zum Nervenflattern. Ich kann der Besprechung kaum folgen, weil meine Gedanken um das Rennen kreisen.
Bei der Rückkehr in unsere Pension stellen wir fest, dass auch Kathrin inzwischen da ist. Sie ist von der Firma Guidant, die Bob und auch Ted gebaut hat. Die Firma hat beschlossen, mein Unternehmen Ironman zu unterstützen. Ich kenne Kathrin schon eine Weile und freue mich, dass sie als moralische Stütze vor Ort ist.
Gemeinsam mit Kerstin packe ich meine Wechselbeutel, einen fürs Rad und einen fürs Laufen. Der wird vor dem Rennen in der sogenannten Wechselzone deponiert. Wir überprüfen noch mal, ob ich Werkzeug und Ersatzteile
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