Ich uebe das Sterben
am Rad habe, und stecken die Energie-Gels in die Oberrohrtasche. Die Startnummern werden am Helm, am Rad und am Startnummernband angebracht.
Bestens gerüstet für den Check-in machen Harald, Kathrin, Andy und ich uns auf den Weg nach Klagenfurt. Dort angekommen, suche ich die Wechselzone auf, lasse Rad und Wechselbeutel an den dafür vorgesehenen Plätzen und versuche mir einzuprägen, wo diese sind.
Eine Mischung aus Panik und Vorfreude verursacht kurzzeitig einen dicken Kloß in meinem Hals, aber als ich die Wechselzone verlasse, fühle ich mich befreit. Ich weiß, dass ich jetzt nichts mehr tun kann. Es wird alles kommen, wie es kommen soll.
In der Ferienwohnung hat Kerstin Kartoffeln für mich gekocht. Alle anderen gehen zum Abendessen in ein kleines Restaurant am See, aber ich will und muss alleine sein.
Als ich dann bei Kartoffeln, Hüttenkäse und Wasser dasitze, kommen erneut Zweifel in mir hoch. Ich frage mich, ob ich mit dem Unternehmen Ironman nicht das Schicksal herausfordere. Doch es gibt kein Zurück mehr. Ich habe noch nie gekniffen und werde es auch diesmal nicht tun.
Ted liegt vor mir auf dem Tisch, er ist mein Talisman. Ich halte die kleine Metallkiste in der Hand und mir wird einmal mehr bewusst, was für ein riesiges Glück ich schon so oft hatte. Ohne dieses kleine Gerät hätte ich nicht einmal mehr die Chance, am Ironman teilzunehmen, denn ich wäre schon längst tot.
Am 8. Juli 2007 um drei Uhr dreißig erlöst mich mein Wecker. Ich fühle mich gerädert. Die letzte Nacht habe ich mich zum größten Teil schlaflos im Bett hin und her gewälzt. Doch heute ist mein Tag, heute ist Ironman.
Mein Frühstück besteht aus Tee, Wasser, einer Banane, einem Honigbrötchen, einem Blitzlichtgewitter aus Andys Kamera, einer Kerstin, die mir vier tolle Zöpfe flicht, und den anderen müden Gestalten des Unternehmens Ironman. Auf dem Tisch liegt Ted.
In meinen Ohren dröhnt der MP3-Player – in einer Endlos-Schleife läuft Stück vom Himmel von Herbert Grönemeyer –, denn ich möchte an diesem Morgen nichts von dem mitbekommen, was um mich herum geschieht, sondern mich nur auf mich selbst konzentrieren.
Als ich in der Wechselzone ankomme, herrscht dort schon rege Betriebsamkeit. Dabei ist es erst kurz nach fünf Uhr.
Ich bin sehr angespannt, aber irgendwie auch voller Vorfreude. Ich bin mir sicher, dass Bob den Wettkampftag nicht durchkreuzen wird und ich heute Abend eine Ironlady sein werde.
Bei der Vorbereitung für den Start überprüfe ich unter anderem den Reifendruck und stelle entsetzt fest, dass mein Hinterreifen komplett platt ist. Aufpumpen hilft nicht. Ich fange an zu schwitzen, und mein Herz rast.
Dann erinnere ich mich an die Wettkampfbesprechung, bei der gesagt wurde, dass nicht nur auf der Strecke, sondern auch morgens in der Wechselzone ein Bikeservice unterwegs sei. Ich schnappe mein Rad und suche die Jungs vom Radservice. Obwohl sie erstaunlich viel zu tun haben, reparieren sie innerhalb von fünf Minuten mein Rad. Ich bin überaus dankbar für diesen spitzenmäßigen Service.
Leider hat die Aktion nicht nur Nerven, sondern auch Zeit gekostet. Es sind nur noch vierzig Minuten bis zum Start, als ich die Wechselzone verlasse, um mich allmählich in Richtung Schwimmstart aufzumachen.
Um sieben Uhr fällt endlich der Startschuss zum Kärnten Ironman Austria 2007. Gemeinsam mit ungefähr 2200 Athleten mache ich mich auf den Weg, der sicher alles von mir abverlangen wird. 226 Kilometer werde ich am Ende des Tages hinter mich gebracht haben – wenn alles gut geht.
Da ich – entsprechend meinem Leistungsniveau – recht weit hinten starte, habe ich mit den Rangeleien, die vor mir im Wasser stattfinden, glücklicherweise nichts zu tun. Ich brauche ungefähr fünf Minuten, bis ich meinen Rhythmus finde, und fange danach regelrecht an, mich zu entspannen. Ich fühle mich wohl und bin voller positiver Energien. Die Sonne verwandelt den Wörthersee in ein glitzerndes Schwimmbecken. Die Wassertemperatur ist genau richtig, nicht zu warm und nicht zu kalt. Das Schwimmen wird zum Genuss.
Ralf hat mir eingebläut, den Wettkampf langsam anzugehen. Das bedeutet Schwimmen ohne Hektik und mit niedriger Herzfrequenz, um Kräfte zu sparen.
Nach dreitausend Metern biege ich vom See in einen achthundert Meter langen Kanal ein. Dieser ist so schmal, dass man die Zuschauer am Ufer anfassen könnte. Zum Abklatschen habe ich leider keine Zeit, aber ich sehe Harald, Kathrin und Axel – einen alten
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