Ich und andere uncoole Dinge in New York
glauben, wenn man ihren trotz schauderhafter Ernährung pickelfreien Teint betrachtet.
„Quatsch, ich mache Pause.“ Ich wische mir über die Lippen, als gäbe es da keinen Lippenstift wegzuwischen, was nicht stimmt, weshalb ich meine roten, klebrigen Hände danach hinter dem Rücken verstecke. Rachel zuckt mit den Schultern und blickt wieder auf ihren Bildschirm.
Es ist schon zwanzig nach eins. Draußen ist es windig geworden, aber es ist immer noch sonnig, auch wenn die Sonne sich zwischen den Hochhäusern nur an wenigen Stellen einen Weg bis auf die Straße bahnen kann. Ich renne die paar Blocks zum Restaurant. Immerhin habe ich das Straßensystem inzwischen verstanden. Wenn man nicht gerade in der West Village ist, wo die Straßen kreuz und quer laufen, ist es total simpel, viel einfacher als in deutschen Städten. In New York ist man nie der Einzige, der sich beeilt. Peter und ich treffen fast gleichzeitig fünfzehn Minuten zu spät in dem kleinen Restaurant mit silbernen Stehtischchen ein. Er sieht noch besser aus als in meiner Erinnerung. Er hat diese Wangen, die immer ein wenig gerötet sind, und makellose, wenn auch ziemlich weiße Haut. Er sieht so ein bisschen aus wie der junge Rob Pattinson in Harry Potter oder so.
„Entschuldigung, ich konnte nicht früher weg“, pruste ich atemlos.
„Kein Problem, was willst du essen?“ Peter zieht seine Lederjacke aus und schiebt die Ärmel seines grauen Shirts nach oben. Ich versuche, ihn nicht zu auffällig zu mustern. Doch auch ohne genau hinzusehen, zeichnen sich die Konturen seines Körpers durch das enge Shirt ab. Er ist groß, schlank und nicht übermäßig muskulös. Er schwitzt wahrscheinlich nicht stundenlang in einem Fitnessstudio mit krassen Gewichten, aber was an aufgepumpten Luftballon-Muskeln attraktiv sein soll, habe ich sowieso nie verstanden.
„Das Gleiche wie du“, sage ich und merke, wie es hinter meiner Stirn verdächtig kribbelt. Hoffentlich werde ich nicht schon wieder rot. Peter lächelt sein Grübchen-Lächeln. Hinter dem blankgeputzten Tresen steht ein koreanisches Mädchen. Peter nennt sie Sonnenschein, als er bestellt, und sie beginnt zu kichern, wobei sie eine Reihe toter, dunkler Zähne entblößt. Rasch hält sie sich die Hand vor den Mund. Sie hat sich bestimmt vorgenommen, nicht mit offenem Mund zu lächeln. Die Arme.
„Wie hast du meine E-Mail-Adresse herausbekommen?“, frage ich betont gleichgültig, um nicht zu zeigen, wie unbeschreiblich geschmeichelt ich deswegen bin. Hinter dem Tresen kocht die Koreanerin in gefährlich zischenden Pfannen unser Essen. Es dampft eindrucksvoll und riecht nach Erdnüssen.
„Es gibt nicht so viele deutsche Praktikanten bei Scirox“, grinst Peter und blickt mich mit seinen hellblauen Augen an, so dass ich das Gefühl habe, dass er mich durchschaut hat. Hauptsache, er durchschaut nicht, dass es an mir gar nichts zu durchschauen gibt.
„Und, gefällt dir der Job?“ Ein Arm liegt vor ihm auf dem Tisch, den anderen hat er aufgestützt, um mit mi nimalem Energieaufwand die Suppe in seinen Mund löffeln zu können. Der Arm ist genauso weiß wie sein Gesicht, aber sehnig.
„Viel Stress. Macht aber Spaß. Kaffee kochen muss ich keinen, aber dafür genauso viel arbeiten wie alle anderen.“ Das ist natürlich Schwachsinn, hört sich aber besser an als die Wahrheit, dass ich inzwischen sämtliche Filme mit Jennifer Lawrence und Liam Hemsworth auf YouTube angesehen habe.
„Arbeitest du mit Rachel zusammen?“ Peter tippt in seinem iPhone herum. Er bekommt ziemlich viele Nachrichten, das ist mir schon im Boar Club aufgefallen. Er scheint massenhaft Leute zu kennen.
„Nicht direkt, aber wir sitzen nebeneinander.“
„Wohnt ihr nicht auch zusammen?“
„Wir wohnen in der West Village“, sage ich nicht ohne Stolz. Dass das ziemlich hip ist, habe ich inzwischen gelernt.
„Wir können ja am Wochenende was unternehmen. Frag doch Rachel, ob sie auch Zeit hat. Ich mail dir.“ Ich nicke, obwohl ich mit Sicherheit schon jetzt sagen kann, dass Rachel bei unserem nächsten Treffen nicht dabei sein wird, und konzentriere mich auf den Reis mit der würzigen Erdnusssauce. Es ist mir bisher noch nicht gelungen, Reis mit meinen Stäbchen zu fassen, aber ich will auf keinen Fall zum Löffel greifen. Peter kann, wie scheinbar alle New Yorker, mit Stäbchen genauso gut umgehen wie jeder Asiate. Dann sieht Peter wieder auf sein iPhone. „Wow, ich muss mich beeilen. Ich muss zurück in die Uni.“
Weitere Kostenlose Bücher