Ich und andere uncoole Dinge in New York
fürchte ich verdammt langweilig. Aber so ein Verehrer ist, wenn ich ehrlich bin, typisch für mich. Ich glaube, ich wirke so harmlos, dass sich bei mir einfach jeder Loser traut, mich anzugraben. Ich muss wirklich daran arbeiten, mir ein unnahbareres Image zuzulegen.
Betreff: Samstag
Hi Peter !
Hier war so viel los, deshalb melde ich mich erst jetzt. Rachel hat Samstag leider keine Zeit, aber lass uns doch im Central Park treffen, da war ich noch nie.
xxx Judith
Peter meldet sich auch den ganzen Nachmittag nicht. Ich kontrolliere zwanzig Mal, ob meine Mail wirklich rausgegangen ist. Warum habe ich nur den Central Park vorgeschlagen statt ein Treffen am Abend? Jetzt kann ich ja schlecht noch eine Mail schreiben. Dafür ruft meine Mutter an.
„Judi, man kann dich immer so schlecht erreichen. Ich habe Dave erzählt, dass du den Eindruck hast, dass Rachel dich nicht mag. Er ist sich sicher, dass du dich getäuscht hast.“
„Mama!“
„Glaub mir, es ist immer besser, offen mit solchen Dingen umzugehen. Sei doch froh, dass ich das Missverständnis ausgeräumt habe.“
„Klar.“ Es bringt nichts, sie darüber aufzuklären, dass sie das Missverständnis überhaupt erst verursacht hat. Die Fähigkeit, eigene Fehler einzugestehen, ist bei meiner Mutter vom lieben Gott vergessen worden. „Freitagabend hat Dave seine große Finissage. Es ist ein Haufen wichtiger Leute da. Du musst unbedingt kommen.“
„Finissage?“
„Wir stoßen auf das Ende seiner Ausstellung an.“
Dass Cocktails involviert sind, war ja klar. „Ich bin schon verabredet.“ Das stimmt immerhin halb. Ich weiß schließlich nicht, ob Peter freitags oder samstags Zeit hat.
„Es kommen alle möglichen Stars, mein Schatz. Ich würde mir das nicht entgehen lassen. Daves Fotoarbeiten sind gerade sehr populär“, sagt sie so, als wäre das auch ihr Verdienst.
Andererseits – hat Peter nicht „Wochenende“ gesagt? Das klingt irgendwie mehr nach Samstag. „Vielleicht kann ich ja kurz vorbeikommen.“
Eine paar Tage später habe ich mich für die Finissage kolossal aufgebretzelt, fühle mich aber trotzdem gewaltig fehl am Platze. Als wäre „Kleinstadtpflanze“ auf meiner Stirn eintätowiert. Wie schaffen es diese Mädels bloß, dass ihre Haare immer perfekt liegen? Perfekt glatt oder perfekt wellig oder perfekt lockig – es sieht immer nach einer echten Frisur aus. Bei meinem letzten Versuch, mithilfe von Lockenwicklern Ordnung in mein Haar zu bringen, musste ich am Schluss die Wickler inklusive der unrettbar verfangenen Haarbüschel abschneiden, was die Frisur nicht unbedingt verbesserte. Peter wird bestimmt morgen anrufen. Man braucht ja nicht immer alles so lange im Voraus zu planen.
„Schätzchen, ist das nicht großartig! Hast du schon das Florida-Bild in der Ecke gesehen? Mein absoluter Favorit!“
Es dauert einen Moment, bis ich die fremde Frau in dem knallengen, schwarzen Kleid als meine Mutter erkenne. Sie hat ihre Haare zurückgegelt (!) und trägt schmale, goldene Kreolen. Entweder hat sie sich einen neuen Busen machen lassen oder sie hat sich so einen Ultra-Titten-BH von Victoria’s Secrets zugelegt. Sie hält sich für eine originelle Szene-Braut. Die Fotos sind total langweilig. Alle sind mit großen Nägeln an der Wand der alten Schlachthalle befestigt, als hätte man nur eben ein Poster an die Wand gepinnt. Das soll wahrscheinlich lässig sein. Ich bilde mir zudem ein, das Echo der Schreie der vielen ermordeten Schweine zu hören.
„Mama. Wenn ich mich nicht täusche, hängen hier entweder zehn Bilder, auf denen derselbe wolkenlose Himmel zu sehen ist, oder zehn Abzüge vom gleichen Foto. Man soll ja bei Kunst nicht sagen: ‚Das kann ich auch‘, aber in diesem Fall trifft das definitiv zu.“
„Aber das ist doch der Clou! Der eine Himmel ist in Florida, der andere in Grönland, der nächste in Peking! Verstehst du das nicht?“ Sie strahlt mich an, als wäre das genial und als wäre ich einfach nur nicht genial genug, das zu raffen. „Da vorn ist ja auch deine Freundin Rachel!“ Tatsächlich steht ein wenig entfernt Rachel und unterhält sich mit Dave. Sie trägt das schwarze Top, eine schwarze Hose und ihre Boots, die sie schon den ganzen Tag im Büro anhatte. Außer, dass sie das schwarze Top übergezogen hat, strengt sie sich null an, sexy zu sein. Sie ist es aber trotzdem und an ihr hängt auch nicht das kleinste Fitzelchen Kleinstadtmief, New Jersey hin oder her.
„Rachel ist nicht meine
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