Ich und andere uncoole Dinge in New York
in mein Zimmer und knalle die Tür hinter mir zu, so laut ich kann. Dabei rufe ich „Fuck you“. Dann brüte ich ein paar Minuten vor mich hin und versuche zu ignorieren, dass ich keinen Grund habe, um „Fuck you“ zu schreien, und nur hoffen kann, dass die Tür laut genug geknallt hat, so dass Rachel das nicht gehört hat. Dann fahre ich meinen Laptop hoch, den ich von Scirox geliehen bekommen habe, und benutze eine der zweihundert ungesicherten drahtlosen Netzwerkverbindungen, die es in New York überall gibt. Als Erstes sehe ich natürlich die vierzig Seiten Doku in meiner Mailbox, die Rachel mir von Scirox aus geschickt hat, und fühle mich noch schlechter. Das war blöd von mir. Aber sie hätte ja auch nicht gleich so rummotzen müssen. Keine Mail von Peter.
Finissage
Am nächsten Tag verziehe ich mich bei Scirox ins Bad und überlege, wie ich Gretchen am besten sage, dass ich gar nicht programmieren und deshalb diese Dokus nicht mehr machen kann. Ich muss es ihr sagen und gleichzeitig versuchen, nicht in den Status unbezahlter Praktikant degradiert zu werden oder rauszufliegen. Meine Augen sehen irgendwie verquollen aus und ich bin gereizt und ein bisschen weinerlich. Ach ja, kein Wunder, ich durchwühle meine Tasche nach einem Tampon. Das kommt immer zur richtigen Zeit.
„Wow, ich frage mich echt, wie du den reinbekommst.“
Ich blicke hoch. Ohne dass ich es gemerkt habe, ist Gretchen reingekommen, lehnt sich neben mir nach vorn an den Spiegel und zieht mit einem himbeerfarbenen Lippenstift die Konturen ihres Mundes nach. Wo die doch eigentlich sowieso schon perfekt sind.
Ich blicke auf den Tampon in meiner Hand, der eine ganz durchschnittliche Größe hat, und dann zurück zu Gretchen. Keine Ahnung, was sie meint.
„Ist das europäisch, einen T ampon ohne Applikator zu benutzen?“, fragt Gretchen.
Mit Applikator bezeichnen Amerikaner eine Konstruktion aus Plastik, welche die Hand fern vom Körper hält und es für den Preis von etwas Müll dennoch ermöglicht, einen Tampon ortgerecht zu platzieren – das habe ich beim Einkaufen gelernt.
„Schiebst du den mit dem Finger rein?“ Sie schüttelt ihren Kopf demonstrativ hin- und her. „Findest du das nicht unhygienisch? Aber in Schweden ist das wahrscheinlich normal“, fährt Gretchen fort, als ich nicht antworte. Sie zieht ihre Nase angeekelt hoch, als hätte ich eine perverse Ader. Ihre Haare sind zu zwei langen Zöpfen geflochten, so dass sie wie Heidi aussieht. Oder wie Gretchen eben.
Ich schüttele den Kopf, was beide Fragen beantwortet.
„Oh, richtig. Die neue Doku ist nicht schlecht. Ich schicke dir nachher ein paar weitere Projekte, die gerade in der Pipeline sind, die du verbessern kannst.“
Bevor ich irgendetwas erwidern kann, verlässt sie den Waschraum mit festem Schritt. Sie läuft auf jeder Absatzhöhe mit gleicher Trittsicherheit wie ein Supermodel und scheint auch von den höchsten Absätzen keine müden Beine zu bekommen. Sie weiß noch nicht einmal, dass ich aus Deutschland komme. In ihrem Universum spiele ich einfach überhaupt keine Rolle. Das hat ja super geklappt mit der Aussprache. Herzlichen Glückwunsch.
Immer noch keine E-Mail von Peter, als ich an meinen Platz zurückkomme. Ich spähe vorsichtig über die Cubicle-Trennwand, um zu sehen, ob Rachel da ist.
Rachel starrt auf ihren Computer und hat ihre Kopfhörer auf. Als sie mich bemerkt, zieht sie genervt die Ohrstöpsel raus. „Waaaaas?“
Ich lasse mich wieder zurück auf meinen Stuhl fallen. Ich habe ihr schon eine „Sorry“-SMS geschrieben und bei Dave habe ich mich schließlich wirklich nicht beschwert. Ich hätte das schöne Top besser behalten sollen.
„Ich wollte nur sagen, dass Adam angerufen hat und mit dir nach Coney Island fahren will“, sage ich laut genug, dass sie mich durch die Wand hören kann.
„Das weiß ich schon“, sagt Rachel mit vollem Mund. Sie isst unentwegt Chips und Salzbretzeln, krümelt ihr Cubicle voll und, was mich am meisten ärgert, wird davon nicht dicker. Außerdem gammeln alle möglichen Scirox-Typen in ihrer Nähe herum und es ist sonnenklar, dass einfach jeder Rachel cool findet. Wobei man feststellen muss, dass es bei Scirox nicht ganz so schwer ist, einen Verehrer abzukriegen. Sogar ich habe schon einen: Louis, meinen anderen Nachbarn. Louis bietet jeden Tag an, mir das Empire State Building zu zeigen. Er hat die kürzesten Beine, die ich je bei einem Menschen gesehen habe und ist
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