Ich und andere uncoole Dinge in New York
Missbrauchten. Ich will das gar nicht wissen. Es muss doch nicht alles besprochen werden. Was soll man auf solche Geständnisse erwidern? „Schade, das ist echt blöd.“ oder „Oh Gott. Ich würde mich umbringen an deiner Stelle“?
„Keine Sorge, von dir will ich ja nichts“, fährt Ben fort. Ich sag’ ja, Komplimente bedeuten bei ihm nicht viel. Sie sind nichts weiter als eine unverfängliche Geste, die auf Familienfesten ansonsten wahrscheinlich für dicke Omis oder unattraktive Kusinen reserviert ist. Ich muss trotzdem gekränkt aussehen, denn Ben erklärt sofort: „Man soll sich nie mit einer Mitbewohnerin einlassen.“ Er tätschelt tröstend meine Schulter. Ich habe keine Lust, ihm zu erklären, dass ich nicht seinetwegen deprimiert bin.
„Ich weiß halt genau, was ich will: Sie soll genauso viel verdienen wie ich und mich nicht wegen meines Geldes mögen. Dann soll sie blonde, lange Haare haben, eine gute Figur, elegante Klamotten, treu sein, lustig und vor allem nicht hysterisch. Ein bisschen mehr Kohle im Hintergrund wäre auch nicht schlecht.“
„Das weißt du alles so genau? Sogar die Haarfarbe? Ich dachte, man lernt jemanden kennen, verliebt sich und dann ist der Rest egal.“ Nach der Auflistung ist zumindest klar, dass ich nie seine Traumfrau werden kann.
Benjamin lacht, wobei für einen Moment alle zweiunddreißig Zähne sichtbar werden. „Naaaa, du kommst eben nicht aus New York. Wann soll ich denn jemanden kennen lernen? Ich arbeite doch die ganze Zeit. Also verabrede ich mich übers Internet oder meine Freunde besorgen mir ein Date, damit ein paar Kriterien vorab erfüllt sind. Den Rest checke ich beim Abendessen. Wenn es gut aussieht, treffen wir uns wieder, wenn nicht, dann nicht.“
„Und was genau checkst du beim ersten Abendessen?“
„Ich frage sie, ob sie eine ernsthafte Beziehung möchte oder nur ein paar Dates haben will, ob sie gern ausgeht, wie viel sie verdient, ob sie sportlich ist, wann sie ihren letzten Freund hatte, wie lang ihre längste Beziehung gehalten hat – die Basics eben.“ Benjamin verschwindet kurz in der Küche und kommt mit zwei Flaschen Bier und einem abgepackten Hähnchensandwich zurück. Hühnerfleisch ist so eine Art amerikanische Butter. Es taucht in fast jedem Gericht auf: Hähnchensandwich, Hähnchenpizza, Hähnchensalat, frittierte Hähnchenschenkel, Hähnchenpasta, Hühnercurry. Es muss ein fürchterliches Geheimnis hinter dem täglichen Verzehr von Millionen von Hühnern stecken.
„Findest du so eine Checkliste nicht ein klein wenig unromantisch?“, wage ich vorsichtig einzuwerfen und trinke einen Schluck Bier. Ich liebe amerikanisches Bier. Es ist ein bisschen wässrig und schmeckt nicht so richtig nach Bier. Deutsches Bier ist mir viel zu bitter, aber das gebe ich natürlich nicht zu, wegen des Bier-Patriotismus, der hier von mir erwartet wird.
„Romantisch werde ich nur, wenn es sich lohnt. Wenn ich erst beim fünften Date herausfinde, dass sie unbedingt sofort ein Baby will oder Kette raucht, sobald sie einen Drink in der Hand hält, wäre das Zeitverschwendung.“ Ben reißt mit den Zähnen ein Stück von seinem Sandwich ab.
„Du bist einer dieser Menschen, die mit Ehevertrag heiraten“, bemerke ich.
„Natürlich. Wie denn sonst? Meinst du, ich will eine Frau, die einen Bratarsch bekommt, sobald ich ihr einen Ring an den Finger gesteckt habe?“
Ich benötige einige Sekunden, bevor ich verstehe, was Benjamin meint. Ein Ehevertrag, der das Gewicht der Braut regelt, ist mir bisher noch nicht in den Sinn gekommen.
„Jetzt mal ehrlich. Wer will schon eine fette Frau haben? Möchtest du später einen Fettsack als Ehemann? Da hast du so lange gesucht, um einen passenden Partner zu finden, und dann hast du plötzlich eine schwabbelige Qualle im Bett liegen. Ich achte doch auch darauf, wie ich aussehe. Ich finde dicke Frauen abstoßend. Es wäre total heuchlerisch, so was nicht zu regeln. Wenn sie sicher ist, dass sie nicht dick werden will, dann kann sie das doch unterschreiben.“
„Aber Liebe meint doch gerade, dass man den anderen bedingungslos liebt.“ So stelle ich mir das jedenfalls theoretisch vor.
„Du hast zu viele Julia-Roberts-Filme gesehen.“
„Man braucht doch nicht für alles Verträge“, bemerke ich lahm. Wie immer weiß ich in solchen Momenten kein Gegenargument. Das fällt mir bestimmt nachher im Bett ein. „Ihr Amis seid verrückt. Ihr habt ja auch diese Dates. Das rafft kein Mensch, wie das
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