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Ich und andere uncoole Dinge in New York

Ich und andere uncoole Dinge in New York

Titel: Ich und andere uncoole Dinge in New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia K. Stein
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qualmt tapfer weiter. Ich tue mir das nicht an. Damit ich nicht doch noch schwach werde und Peter anrufe, beschließe ich, meiner Mutter und Dave einen Überraschungsbesuch abzustatten.
     

Ausnahmen
    Die frische Luft tut mir gut. Die Stadt ist nach dem Regen abgekühlt, so dass ich das Gefühl habe, dass ich nicht nur Abgase, sondern sogar ein bisschen Sauerstoff einatme. Also Joints sind gar nicht mein Ding. Ich atme tief durch, um alle Reste aus meinen Lungen zu vertreiben. Ich war noch nicht oft in Daves Loft und wieder stelle ich fest, dass es einfach in einem gigantisch abgefahrenen Gebäude liegt, einer Fabrikhalle eben, die er schon gekauft hat, als Soho noch billig und voller Künstler war statt voller Prada-Läden.
    Meine Mutter macht die Tür auf. Sie strahlt, allerdings erstirbt ihr Strahlen so schnell, als hätte man es ausgeknipst, als sie mich sieht. Ihr Ausdruck wechselt zu Panik und einen Moment überlege ich, ob ich so mitgenommen aussehe.
    „Hi, Mom. Ich bin kein Monster, sondern deine Tochter?“ Sie starrt mich weiter an, als würde sie mich nicht erkennen.
    „Hallo? Ich bin’s, Judith – Verwandtschaft ersten Grades?“
    Ihr Gesichtsausdruck wechselt erneut und sie blickt gehetzt zur Seite. Ich spähe an ihr vorbei ins Wohnzimmer, wenn man das so bezeichnen kann. Das Loft besteht eigentlich nur aus einem einzigen Raum mit verschiedenen Bereichen. Auf einem beigen überdimensionalen Sofa sitzt Dave beziehungsweise liegt Dave und aus dem nachtblauen Bademantel ragen seine behaarten Beine heraus. Oh Gott, mehr will ich wirklich nicht sehen. Ob Männer wie er schon Viagra nehmen müssen? Trotzdem ist die Panik meiner Mutter etwas übertrieben. Auf dem Esstisch stehen zwei Gedecke und schlanke, weiße Kerzen – sehr romantisch. Sieht nicht so aus, als hätte meine Mutter vorgehabt, ihre einzige Tochter zum Essen einzuladen.
    „Ich dachte, du wärst das Sushi“, stammelt Regine entschuldigend. Dann steigt mir ein merkwürdiger Geruch in die Nase. Es riecht nach Gewürzen, dabei kochen die beiden doch gar nicht. Der Geruch kommt mir bekannt vor. Sehr bekannt.
    „Darf ich rein kommen?“, frage ich, als sie keine Anstalten macht, mich von allein hereinzulassen.
    Zögerlich tritt sie zur Seite. Also, das geht schon ein bisschen weit, finde ich, dass sie ihre eigene Tochter nur knapp in die Wohnung lässt. Regine trägt ein kleines Oberteil, aus dem ihr Busen zum Teil rausquillt und enge schwarze Hosen. Außerdem hat sie sich dicke Balken unter die Augen gemalt. Ich bin mir nicht sicher, ob mir meine alte, spießigere Mutter nicht lieber war als dieses durchgeknallte Fashion-Victim.
    „Hast du dich gut eingelebt?“, fragt Dave etwas förmlich, nachdem er mich begrüßt hat. Meine Mutter starrt ihn entsetzt an und dann sehe ich es auch. Dave nimmt in Seelenruhe eine voluminöse, gerollte Zigarette, ganz klar einen Joint, aus dem Aschenbecher und zieht daran. Das gibt’s ja wohl nicht.
    „Sei nicht so eine Heuchlerin, Gina. Sie ist alt genug“, murmelt er und nimmt noch einen tiefen Zug.
    Dave sah immer so ordentlich aus. Aber war ja klar, dass ein dunkler Abgrund hinter der glatten Oberfläche liegt. Außerdem nehmen alle Künstler Drogen. Dann hält er meiner Mutter den Joint hin. „Komm schon, Gina, jetzt tu’ mal nicht so. Sie wird das verkraften.“
    Das Gesicht meiner Mutter erstarrt wie die Fossilien im Museum of Natural History. Mein Gesicht dürfte genauso aussehen wie ihres. Dies ist einer der wenigen Momente, wo wir uns einig sind und uns sogar ähnlich sehen. Nicht nur, dass ihr Freund Joints raucht, obwohl er viel zu alt dafür ist, er vertuscht es noch nicht einmal. Dave steht auf und drückt meiner Mutter den Joint in die Hand. „Los, jetzt zier dich nicht so.“ Sie lächelt mich zaghaft an und zuckt mit den Schultern. Und dann, ich mag es nicht glauben, spitzt sie die Lippen und nimmt einen betont unbeholfenen Zug, wobei sie mich verlegen anschaut. Also darauf falle ich jetzt auch nicht mehr rein. Das ist mit Sicherheit nicht ihr erster Zug. Das kann ja wohl nicht wahr sein. Meine Mutter raucht Marihuana. Wenn ich nicht aufpasse, ist sie bald drogenabhängig und geht auf den Strich. Wer ist hier eigentlich der Teenager mit Identitätskrise, sie oder ich? Also ehrlich.
    „Du kiffst?“, fahre ich sie an.
    Sie schüttelt den Kopf. „Das ist doch nur eine ganz große Ausnahme, Judith.“
    Sie spricht sogar Deutsch. Normalerweise spricht sie nur Englisch, wenn Dave dabei ist,

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