Ich und du Muellers Kuh
unsern Nicki gsehe, Herr Lasewatsch?« fragte Mathias.
»Habt ihr all den Dreck gesehen?« fragte der Mesner zurück, dann fiel sein tränenumflorter Blick auf Flora, die aufgeplustert in ihrem Käfig hockte. »Packt euren Papagei!« schrie er zornig, »und schert euch zur Kirche raus! Pfarrersbuben, elende!«
»A-a -— ei -— ei -— o—a!« kreischte der Papagei, und dies sollte »Papagei heißt Flora« heißen, denn Konsonanten auszusprechen, war diesem Tier versagt.
»Da hasch du dei Flora!« sagte Andreas zu Uschi, die gekommen war, um sich vom Gottesdienst berichten zu lassen und den Papagei wieder heimzuholen.
»I will dir mal was sage Uschi, mr verschteht’s ja gar net, was se sagt. Vielleicht sagt se: >Papagei heißt Flora<, aber vielleicht meckert se bloß irgendwas, und ihr sagt, ‘s heißt so. Dei Flora isch scho a bißle blöd, ja, des will i dir bloß sage, und se macht au kein Eidruck auf mi, und...«, er mußte sich abwenden, weil ihm ein dicker Kloß im Hals saß und er vor der Uschi nicht weinen wollte.
»Du bisch bloß neidisch, weil du kei Schweschterle hasch und weil du unsers net kriegsch!« sagte die Uschi, riß den Käfig an sich und verschwand samt ihrem krächzenden Papagei.
Andreas und Mathias aber trauerten den ganzen Sonntag, und wir mit ihnen. Nein, sie wollten keinen neuen Goldhamster haben, denn so wie Nicki wäre keiner mehr, ein Tier einzigartig im Leben und im Sterben. Und hatten sie fernerhin Streit und galt es, eine fürchterliche Beschimpfung auszustoßen, so sprachen sie zueinander: »Du Vikar!«
Tuba und Strickliesel
Zum Glück gingen nur die Zimmer auf die geräuschvolle Durchgangsstraße hinaus, Küche, Bad und Klo waren nach hinten zum Hof gerichtet. So hatten wir doch drei stille Plätzchen, wo wir in aller Ruhe und Beschaulichkeit sitzen konnten: Am Küchentisch, in der Badewanne und auf dem Klo.
Der letzte Ruheplatz verlor jedoch an Behaglichkeit durch die Tatsache, daß sein Fenster auf die Terrasse ging. Ungeduldigen Familiengliedern genügte es nicht, zart an die Tür zu klopfen, nein, sie traten hinaus auf die Terrasse, lugten durch das Fenster und stießen Drohungen aus. Solche Schwierigkeiten ergaben sich allerdings nur, wenn mein Nähkorb überquoll. In Ermangelung eines anderen Platzes hatte ich nämlich die Nähmaschine ins Klo gestellt. Sie stand dort an günstiger Stelle und diente in geschlossenem Zustand zur Ablage von Lesestoff. Machte ich sie aber auf, um zu nähen, dann versperrte sie die Tür. Nun trat dieser Fall selten ein, denn die Nähmaschine verhielt sich mir gegenüber ausgesprochen feindlich. Sie ließ andauernd ihren Faden reißen und ihre Nadel brechen, sie brachte krumme Nähte und seltsame Stiche hervor und gab mich dem Gespött der Familie anheim. Auch hatte sie mich schon auf s schmerzhafteste verletzt und boshaft durch meinen Finger genäht, als ich ihn vertrauensvoll unter die Nadel legte und mit dem Fuß weitertrat. Auf mein Schmerzensgeschrei stürzte Manfred aus seinem Zimmer, schlug gegen die verschlossene Tür, lief auf die Terrasse und stieg durch’s Fenster ein. Mir war inzwischen schlecht geworden. Mit bleichem Gesicht hockte ich auf dem Klodeckel vor der Nähmaschine und wimmerte leise vor mich hin. Er aber dachte gar nicht daran, mich in meinem Schmerz zu trösten, sondern schimpfte, es sei ihm unverständlich, wie ein. denkender Mensch seinen Finger unter die Nähmaschinennadel halten könne und dabei mit den Füßen weitertreten, aber er kenne mich ja nun lange genug, um zu wissen, daß mir in dieser Hinsicht alles zuzutrauen sei. Unter diesen und anderen Worten zog er die Nadel aus meinem Finger und mich aus dem Örtchen und machte sich an die schmerzhafte Prozedur, die winzige Wunde zu verbinden. Da ich die Nadel vorher nicht desinfiziert hatte, mußte ich eine Tetanusspritze auf mich nehmen, was meinen Haß auf die Nähmaschine ins Grenzenlose steigerte. Wenigstens blieb mir hinfort der Vorschlag erspart, einmal einen Nähkurs zu absolvieren.
»Bis sie diesen Nähkurs hinter sich hat«, so sprach Manfred beim Abendessen zu seinen Söhnen, »wird sie sich jeden Finger mindestens einmal durchstechen. Das wollen wir doch nicht?«
»Nei!« riefen beide, »des wollet mir net!«
Das Glanzstück der Wohnung aber bildete die Terrasse, drei Meter breit und acht Meter lang, auch sie lag nach hinten hinaus.
Der Gedanke an diese Terrasse und ihre mannigfachen Verwendungsmöglichkeiten hatte mir den Abschied von
Weitere Kostenlose Bücher