Ich und du Muellers Kuh
Weiden etwas erleichtert.
»Denk dir nur, Manfred, was wir da draußen für romantische Feste feiern können, mit bunten Lampions am Geländer entlang, das Lichtermeer der Stadt zu unseren Füßen, der unendliche Nachthimmel zu unseren Häuptern, es wird zauberhaft!«
»Na ja«, sagte er, »das müssen wir erst sehen.«
Als dann ein Fest nahte und wir die Terrasse schmücken wollten, flogen die Lampions weit über die Stadt davon, es war ein schönes Bild, wenngleich es mich schmerzlich berührte.
Unsere Gäste zeigten sich tief beeindruckt, als wir sie auf die Terrasse drängten.
»O ja, herrlich dieses Lichtermeer!« riefen sie, »wirklich wundervoll!« Die Damen hielten mit der einen Hand ihre Frisur fest und mit der anderen ihren Rock, die Herren sahen überall hin, bloß nicht auf das Lichtermeer, und alle strebten sie eilends zurück in die Wohnung.
»Ein rechtes Kleinod habt ihr da«, sagte meine Mutter, als sie uns das erste Mal besuchte und wir ihr das Lichtermeer zeigen wollten. Sie versuchte, den Rock zu bändigen, der über ihrem Kopf zusammenschlagen wollte.
»I halt ihn dir fescht, Großmama«, sagte Andreas, »dann kannscht du in aller Ruh nuntergucke!«
»Nein, Liebes, danke, wir gehen jetzt ganz schnell wieder ins Wohnzimmer. Der Herbstwind weht doch recht stark.«
Ja, der Herbstwind wehte stark und meine Wäsche auf dem Küchenbalkon knatterte unter seinen Stößen. Sie schlug mir um die Ohren, als ich sie von den Leinen nahm. Ich schnupperte, erst ungläubig, dann entsetzt, und durch meine Nase sog ich eine neue Erkenntnis in mich hinein. Wie war das damals gewesen bei der Stellensuche? Ich hatte mich begeistert geäußert: »Wie herrlich muß die Wäsche duften — in luftiger Höhe getrocknet...«, ja, so etwa hatten meine Worte gelautet, und Frau Heisterwang war daneben gestanden und hatte Unverständliches gemurmelt: »Ja, sie duftet! Aber man gewöhnt sich daran...« Dann war sie verstummt und jetzt wußte ich, warum.
»Mach die Augen zu und riech mal!« ich hielt Manfred ein frisch gewaschenes und getrocknetes Wäschestück unter die Nase.
»Na, was riechst du?«
»Schinken!« rief er begeistert.
»Von wegen Schinken! Ein Kissenbezug ist’s, luftgeräuchert auf unserem Küchenbalkon! Was sagst du dazu?«
»Was soll ich dazu sagen? Mir ist der Geruch nicht unsympathisch.«
»Aber mir! Ich mag nicht riechen wie eine Salami. Ach, wie herrlich hat es doch im Weidener Pfarrgarten geduftet, wenn die Linde geblüht...«
»…und Nachbar Meyer seinen Mist aufgeladen hat. Malchen, so schwerwiegend das Problem auch sein mag, ich kann’s nicht länger mit dir erörtern, ich muß arbeiten.«
Dies war seine Art, sich aus der Affäre zu ziehen. Er klapperte auf der Schreibmaschine und lehnte es ab, an weiteren Wäschestücken zu riechen.
»Wenn du als Salami durch die Lande ziehen willst, bitte. Ich aber will es nicht, und darum brauche ich Parfüm, aber ein gutes, starkes, damit es den Rauchgeruch überdeckt.«
»Einverstanden! Und wenn du dann draußen bist, dann mach bitte die Tür hinter dir zu.«
Direkt unter uns wohnten »s’ Prälats«, ach, und sie hatten es schwer mit uns, denn wir tobten ihnen auf dem Kopf herum. Herr Prälat hörte nicht mehr gut, aber Frau Prälat sagte mir, sie könne es nur mit Gottes Hilfe und Ohropax ertragen.
Daraufhin gaben wir uns unendliche Mühe, leise zu sein. Wir kauften sogar einen dicken Teppich für das Wohnzimmer. Aber so sehr wir uns auch mühten, wir blieben eine geräuschvolle Familie.
»Seid still! Zankt euch nicht so laut!« schrie ich die Buben an, die auf dem Teppich miteinander rauften, »denkt an Frau Prälat!«
»Menschenskind!« schimpfte Mathias zurück, »in dem Haus darf mr net amal in Ruh schtreite! Immer muß mr an Frau Prälat denke!«
»Zankt halt leise weiter! Ich geh mal an die frische Luft!«
»Die frische Luft« war meine neue Lektion aus der Elternschule. Ich hatte es im Kochen und Backen trotz aller Bemühungen zu keinen Glanzleistungen gebracht, die höheren Weihen im Schneidern und Nähen verbaute mir die bösartige Nähmaschine, aber in der Kindererziehung dachte ich Wesentliches zum Guten zu wenden durch Erlernen der Grundkenntnisse. Also unterrichtete ich Manfred von meinem Entschluß, eine Elternschule zu besuchen.
»Viel Glück!« sagte er, »tu, was du nicht lassen kannst. Aber ich halte mich da raus, einer von uns beiden sollte seinen gesunden Menschenverstand bewahren, außerdem habe ich keine
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