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Ich und du Muellers Kuh

Ich und du Muellers Kuh

Titel: Ich und du Muellers Kuh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei-Angelika Mueller
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Volkslieder und Madrigale. Manfred und ich kannten sie gut. Beim Singen dieser Lieder hatten wir uns dazumal kennengelernt.
    Es war in Göttingen gewesen, in meinem ersten Semester. Er studierte Theologie, ich Jura, und wäre nicht die Studentengemeinde gewesen, wir wären glatt aneinander vorbeigelaufen. So aber sangen wir gemeinsam in der Kurrende, er Tenor und ich Sopran. Wir sangen: »Lieblich hat sich gesellet...« und »Wach auf meins Herzens Schöne...« und »Wie schön blüht uns der Maien...«.
    Hinterher brachte mich dieser Theologiestudent über den Wall nach Hause. In der Nacht träumte ich einen schweren Traum. Ich saß hinter einem Berg zerrissener Socken und stopfte und stopfte, und all diese Socken gehörten ihm.
    Nach einem Semester Kurrendesingen und einem besonders ergreifenden Abschiedsgesang »Innsbruck, ich muß dich lassen« beschlossen wir, uns hinfort nicht mehr zu lassen...
    Nun saßen wir in Finks Wohnzimmer, sangen die erinnerungsträchtigen Lieder und fühlten uns genauso entrückt wie vorher Agathe und Sigmund beim Schnuppern der Käsedämpfe.
    »Du bist nicht richtig im Takt, Amei!« Maria warf mir einen strafenden Blick zu, »du singst zu langsam!«
    »Du auch, Manfred!« tadelte Julius.
    »O, Leut, laßt uns einen Augenblick verschnaufen! Nach diesem Lied haben wir uns den ersten Kuß gegeben...« Und dann ging uns der Mund über, und wir schwärmten und schwatzten und schwelgten in Erinnerung.
    »Wir haben uns bei einem Konzert kennengelernt«, Julius legte den Arm um Maria.
    »Eva und ich kannten uns schon von Kindesbeinen an«, sagte Hugo, »wir waren Nachbarn. Daß ich sie liebte, habe ich eigentlich erst gemerkt, als sie mir eine Ohrfeige gegeben hat...«
    »Cosima und Tamina, ihr könnt jetzt ins Bett gehen«, sprach Vater Julius, »es ist höchste Zeit!«
    »Wenn’s mal interessant wird«, maulte Cosima.
    Es klingelte.
    »Wer kommt denn jetzt noch?«
    Julius schaute ungnädig nach der Uhr. Tamina lief zur Wohnungstür.
    Es erschien das Kind Priszilla, barfuß, im Nachthemd und mit verwuscheltem Haar.
    »Prilli!« beide Säuseles sprangen auf, das schlechte Gewissen brach ihnen aus jeder Pore.
    »Ja, schläfst du denn noch nicht?«
    »Nein, wenn niemand kommt, dann kann ich nicht. Und überhaupt brauch ich Zärtlichkeit!«
    Sigmund nahm seine Tochter auf den Arm und trug sie nach unten.
    »Den sehen wir heute nicht wieder!« bemerkte Hugo Pratzel.
    Aber schon nach wenigen Minuten tauchte der geplagte Vater wieder bei uns auf.
    »Ja, schläft sie denn schon?« fragte Agathe, »das ist doch nicht möglich, Sigmund!«
    »Nein, sie schläft noch nicht.«
    »Was? Und da bist du einfach weggegangen?«
    »Ja! Ich habe ihr gesagt, sie muß es respektieren, daß ich jetzt Ruhe brauche!«
    »O, Sigmund, das kann schlimme Folgen haben! Wie hat sie es verkraftet?«
    »Sie hat sich umgedreht und >Gute Nacht< gesagt.«

    Die Mandelmilch war lange ausgetrunken, als wir endlich aufbrachen.
    »Das war ein schöner Abend!« sagte ich zu Maria.
    »Und so harmonisch!« ergänzte Eva Pratzel.
    »Wir haben uns vieles mitgeteilt!« fugte Agathe Säusele hinzu.
    »So sollte es auch in unseren Sitzungen zugehen!«
    Julius warf einen wehmütigen Blick auf seine Kollegen, besonders aber auf Hugo Pratzel.
    »Überleg es dir, Julius«, meinte der, »auf die Dauer würde es langweilig. Und im Grunde, gib’s ruhig zu, im Grunde macht dir das Gerangel doch Spaß!«

Pfarrer sind auch Menschen

    Wir luden auch ein, und zwar zu Pizza und belegten Broten, zum Singen und Spielen. Aber beim Essen meinte Julius, die viele Arbeit wäre nicht nötig gewesen, eine Butterbrezel hätte ihm auch gelangt, und zum Singen und Spielen hatten sie keine rechte Freudigkeit. Die Herren verkrochen sich hinter theologischen Gesprächen, und wir Damen landeten bei Kindern und Küche, Pfarrfrauentagungen und Gemeindekreisen.
    Ich wollte schon an der Aufgabe verzweifeln, diesen Kollegen einen vergnüglichen Abend zu bereiten und ihnen zu beweisen, was für eine vollendete Gastgeberin ich sei, da lernte ich an jenem denkwürdigen Silvesterabend die »blaue lady« kennen.
    Nachdem ich sie getrunken und ihre auflockernde Wirkung verspürt, nachdem das Brummen aus meinem Schädel gewichen, nistete sich dafür ein Gedanke in demselben ein und wollte nicht mehr weichen. Als ich ihn lange genug mit mir herumgetragen, ihn gedreht und gewendet hatte und von seiner Güte überzeugt war, beschloß ich, Manfred davon in Kenntnis zu setzen. Der

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