Ich und du Muellers Kuh
Stunde stand er wieder bei mir in der Küche. »Was ist jetzt los, Manfred?«
»Ich versteh’s auch nicht, Malchen! Erst saß das ganze Konferenzzimmer voll, sämtliche Mitarbeiter waren versammelt, aber schließlich blieben nur noch wir vier übrig.«
»Ja, haben sie denn nicht diskutiert?«
»Nein, überhaupt nicht! Sie haben einfach allem zugestimmt, und dann sind sie nacheinander verschwunden. Komisch!«
Später riefen Maria an und Eva und Agathe. Alle wollten sie für den schönen Abend danken und alle wollten sie dasselbe wissen, nämlich: »Wieviel Zehen waren in deiner Knoblauchsoße?«
»Das weiß ich nicht, Evelyn hat sie gemacht.«
»Ach so«, sprachen sie, »dann ist es kein Wunder.«
Am Nachmittag traf ich Frau Prälat auf der Treppe.
»Gestern ging es ja lustig zu bei Ihnen« bemerkte sie spitz, »hatten Sie Ihre Konfirmanden eingeladen?«
Ich neigte meinen Mund ihrem Ohr entgegen, um das Mißverständnis aufzuklären, aber da tat sie einen Satz zu ihrer Wohnungstür, steckte den Kopf noch durch den Spalt und rief:
»Es ist ja schön, wenn man es mit der Jugend versteht. Leben Sie wohl, Frau Müller!«
Bums, schlug die Tür hinter ihr zu.
Die Lösung des Jugendproblems
In Weiden hatte ich bis über beide Ohren in der Gemeindearbeit gesteckt. Die weibliche Jugend des Dorfes versammelte sich in meinem Mädchenkreis, die Verheirateten kamen im Winter zum Frauenkreis, und im letzten Jahr meines Wirkens dirigierte ich sogar den Kirchenchor. Ich hatte oft und beweglich Klage geführt über all die vielen Lasten, die auf meinen schwachen Schultern ruhten und im stillen selbstzufrieden festgestellt, ohne dich läuft nichts, du bist eine wichtige Persönlichkeit.
Nun saß ich in der Stadt, lebte geruhsam im Kreis der Familie, und in der Gemeinde lief alles ohne mich. Das nun wiederum wollte mir auch nicht gefallen.
Zwar hatte mir Frau Windekusch, die Leiterin des Frauenkreises, angeboten, ihren Kreis in meine sicher viel geschickteren Hände zu legen, aber da sie diese Arbeit zum allgemeinen Wohlgefallen betrieb, sah ich mich nicht genötigt, gerade einen Frauenkreis auf mich zu laden. Ich sagte ihr dieses und fügte noch hinzu, daß ich der Meinung sei, sie könne es viel besser als ich, worauf sie heftig widersprach, dann aber zufrieden ihres Weges zog. »Wenn man mich irgendwo brauchen würde, dann täte ich gerne mitarbeiten«, so äußerte ich mich Manfred gegenüber, »aber man braucht mich ja nicht!«
»Wie wär’s mit einem Mädchenkreis?«
»Nein, auf keinen Fall! So schön wie in Weiden kann’s nie mehr werden, außerdem bin ich zu alt dazu.«
Das mit dem Alter hatte ich eigentlich nicht ernst gemeint, sondern nur gesagt, um ihn zum Widerspruch zu reizen. Er aber sagte nichts dergleichen, sondern gab dem Gespräch eine unerfreuliche Wendung, indem er äußerte, er verstünde nicht, warum ich jetzt unbedingt mitarbeiten wollte, wo ich doch früher so herzzerreißend gejammert hätte, daß ich überfordert wäre. Ich solle froh und dankbar sein, meinen Interessen nachgehen und der Familie ein schönes Leben bereiten. Er an meiner Stelle würde Gott danken, wenn er nicht so viel um die Ohren hätte.
»Ja, ja, ja!« rief ich und verschwand aus seinem Zimmer. Was sollte ich auch sagen? Daß es ein Unterschied sei, ob man zuviel um die Ohren habe oder gar nichts und daß ich gerne meine Finger irgendwo mit drin hätte und außerdem fände, es sei ein rechter Jammer, wenn meine vielfachen Gaben bloß so in der Familie verkümmerten? Nein, nie würde ich aussprechen, was zu denken mir schon peinlich genug war!
Also begab ich mich in mein Wirkungsfeld, riß zornig die Gardinen von den Fenstern, stopfte sie in die Waschmaschine, wischte den Straßenbalkon auf, um Platz für neuen Staub zu schaffen und ging mit den Buben spazieren.
Die beiden hatten auch Schwierigkeiten und fanden sich nicht zurecht in der neuen Umgebung. Es gab keinen Garten hier, nur einen kleinen Hof mit einer Teppichstange darin, an der man nicht turnen durfte, und einem Mieter im Nachbarhaus, der lärmende Kinder nicht ausstehen konnte. Sobald die beiden im Hof erschienen, um Ball zu spielen, zu schreien und zu toben, riß er das Fenster auf, beschimpfte sie und drohte, er werde die Polizei holen, falls er noch einen einzigen Mucks höre.
Nun war die Polizei für Andreas und Mathias noch eine unbekannte Größe. Da dieser Wüterich aber mit ihr drohte, vermuteten sie, daß es sich hier um etwas ganz Fürchterliches
Weitere Kostenlose Bücher