Ich und er und null Verkehr
habe.
Mein Buch zum Beispiel. Wir haben jetzt Freitag, was bedeutet, dass
der Beckstein-Verlag mein Manuskript schon eine Woche im Haus hat. Eine ganze
Woche! Ich meine, es sind doch nur läppische hundert Seiten! Wie lange kann
eine vernünftige Lektorin denn brauchen, um die zu lesen? Sicher, sie hat es
vielleicht noch an eine Kollegin weitergereicht oder an Dr. Baumann, um eine
zweite oder dritte Meinung einzuholen. Und wahrscheinlich gibt es dann auch
noch das eine oder andere zu besprechen. Die Höhe der Erstauflage zum Beispiel,
den Erscheinungstermin und die Höhe des Vorschusses.
Ha, Vorschuss! Bei diesem Gedanken hebt sich meine Stimmung
augenblicklich. Wie hoch der wohl ausfallen wird? Zehntausend? Oder mehr?
Weniger? Oder womöglich gar nichts �
Ich sinke wieder ein bisschen in mir zusammen. Jedenfalls haben die
eine ganze Menge zu besprechen, das ist klar. Aber eine ganze Woche lang?
Irgendetwas stimmt da nicht. Hm.
Ich nehme einen Schluck aus der Wasserflasche, die ich mir
mitgebracht habe, dann scharre ich nachdenklich mit meiner Schuhspitze im Sand
herum.
Abgesehen von meinem Buch gibt es noch ein anderes Problem. Mit
unserer Beziehung. Ich bin mir nicht mehr so sicher, ob es eine gute Idee war,
Martin das Buch zu zeigen. Am Anfang fand ich es ganz toll, dass wir jetzt
beide wissen, wie der andere tickt, aber mittlerweile habe ich den Eindruck,
dass er da was falsch versteht.
Diese Lagerfeuersache zum Beispiel. Ich weiÃ, er braucht das, und er
braucht auch seine Kumpels. Aber braucht er sie jeden Tag ? Und wenn er nach Hause kommt, lässt er sich von
vorne und hinten bedienen. Mir ist schon klar, dass es praktischer ist, wenn
ich ihm die Sachen bringe, weil ich sie leichter finde. Aber er könnte
zwischendurch doch wenigstens mal versuchen , sie selbst
zu finden, nicht wahr?
Und wenn ich dann fix und fertig bin vom Hin- und Herflitzen
zwischen Küche und Wohnzimmer und der restlichen Hausarbeit, will er auch noch
Sex. Aber nicht etwa so wie früher, als er noch aufmerksam und zärtlich war,
sondern irgendwie ⦠mechanisch.
Okay, in dem Buch steht, dass Männer auf diese Weise ihre Liebe
ausdrücken, aber deswegen bin ich doch noch lange keine Gummipuppe, oder?
Und mittlerweile bin ich mir auch gar nicht mehr sicher, ob das
alles so stimmt, was die da schreiben. Die Sache mit dem Tunnelblick zum
Beispiel. Als Martin gestern Nachmittag in der Auffahrt seinen Wagen wusch,
legte sich nebenan Gina Berger in einem superknappen Bikini in die Sonne. Nicht
zu fassen, wie schnell Martin seinen Kopf herumriss, obwohl er vorher noch in
die andere Richtung geguckt und sie keinen Pieps von sich gegeben hatte. Das
tat weh, umso mehr, als er gleich darauf begann, seinen Wagen zu polieren (mit
nacktem Oberkörper!), und sich zwischendurch über den Zaun lehnte, um mit ihr
ein Schwätzchen zu halten. Richtig peinlich, wie er dabei die ganze Zeit den
Bauch einzog. Zwar hat er hinterher gleich betont, dass sie in Sachen Humor
nicht mit mir mithalten könne, aber das war dann auch nur ein schwacher Trost
für mich.
Als Martin danach noch einmal wegfuhr â er sagte, er müsse noch mal
in die Kanzlei, aber ich glaube, er fuhr schnurstracks ins Cheerio â, habe ich
über unsere Beziehung nachgegrübelt, und die Methode von Susis Oma fiel mir
wieder ein. Die zur Erforschung des eigenen Unterbewusstseins. Wenn man nicht
von seinen neugierigen Freundinnen unter Druck gesetzt wird, geht einem das
viel leichter von der Hand. Es sprudelte nur so aus mir heraus, und ich
wunderte mich selbst ein bisschen, welche Eigenschaften mir ganz spontan zu
Martin einfielen. Viel Positives war dabei, wie humorvoll, elegant,
unterhaltsam, liebevoll und reizend, aber auch andere Begriffe wie ehrgeizig,
temperamentvoll, rührselig, tollpatschig und träge. Und ein Wort fiel mir ein,
das Martin vielleicht am besten beschreibt: besonders. Es hat sich förmlich
aufgedrängt, denn so ist Martin. Man kann ihn nicht kategorisieren, er ist
weder ein Softie noch ein Macho, er ist kein hoffnungsloser Romantiker, aber
auch kein gefühlloser Klotz, er ist kein Yuppie und kein ambitionsloser
Rumhänger. Er ist einfach â besonders.
Bei dem Gedanken wird mir ganz warm ums Herz. Mein Martin. Ich kann
einfach nicht anders, ich liebe ihn, trotz seiner Unzulänglichkeiten.
Irgendwie. Glaube ich zumindest.
Hm. Oder rede ich mir das nur ein?
Seltsam nur, dass mein
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