Ich und er und null Verkehr
und lacht. »Eine unkomplizierte Autorin, dass ich
das noch erleben darf. Dann würde ich vorschlagen, wir treffen uns in Herrn Dr.
Baumanns Büro. Das kennen Sie ja schon, oder?«
»Ja, sicher. Ich werde da sein!«
Als sie aufgelegt hat, bin ich ganz benommen vor Glück. Sie wollen
mein Buch veröffentlichen, und das schon im Herbst!
Was heiÃt eigentlich schon im Herbst? Wir
haben jetzt erst April, wieso dauert das dann so lange �
Schon kapiert. Die planen sehr langfristig.
Jedenfalls super! Wahnsinn!! So, jetzt muss ich nur schnell noch zu
Hause vorbeifahren und â¦
Plötzlich streift mein Blick die herumtollenden Kinder. Ach, du
meine Güte! Die Kinder! Ich kann ja gar nicht weg, ich bin doch heute allein
hier.
Verdammte Kerstin mit ihrer doofen Grippe!
Okay, dann muss eben Gerda von der anderen Gruppe â¦
Mist! Die ist ja auch krank, Elena ist ja auch alleine mit ihren
Kindern. Ob sie meine mit übernehmen kann? Aber eine Frau allein mit vierzig
Kindern, darunter Jungs wie Thomas, Sebastian oder Norman?
Nein, ausgeschlossen, da könnte ich sie genauso gut mit einem Go for Bush -T-Shirt in den Irak schicken. Und wenn einem
der Kinder in der Zwischenzeit etwas zustoÃen sollte ⦠genau genommen dürften
wir nicht mal eine Gruppe alleine beaufsichtigen.
Ah, ich habâs. Ich rufe einfach eine meiner Freundinnen an. Susi zum
Beispiel. Die kann sicher kurz aushelfen. Ist ja nur für zwei Stunden, dann
werden die Kleinen ohnehin schon abgeholt.
Susi hebt nicht ab. Dann fälltâs mir wieder ein. Sie erwähnte doch
etwas von einem Termin in diesem neuen Hotel, bei dem sie das Innendesign
gestalten soll.
Egal, dann eben Dörte. Dörte hat selber Kinder, die ist ohnehin
besser geeignet. Wäre sie auch, nur ist sie gerade mit ihren eigenen Gören im
Schwimmbad.
Ich probiere es bei Jasmin. Als sie abhebt, kann ich sie kaum
verstehen. Was daran liegt, dass das Handynetz auf Sizilien so schlecht
ausgebaut ist, wie sie mir laut brüllend mitteilt.
Ich probiere es bei anderen Freundinnen und Bekannten, aber alle
heben sie entweder nicht ab oder haben keine Zeit.
Das darf doch nicht wahr sein. Das darf doch jetzt einfach nicht
wahr sein! Habe ich denn überhaupt keine Freunde, die mir in der Not zur Seite
stehen?
Ich sacke völlig frustriert in mir zusammen und bin knapp vorm
Losheulen. Dann fällt mein Blick auf die kleinen Zettelchen neben mir. HEUTE steht noch da. Und was war das vorige Wort gewesen? RETTER .
Plötzlich durchzuckt mich die Erleuchtung wie ein gleiÃender Blitz.
Das war kein Zufall, das war ein Zeichen! Natürlich! Martin soll heute mein
Retter sein!
Aber ob er mit dieser Rasselbande zurechtkommt? Sollte er
eigentlich. Martin kann sehr dominant sein, und hier unten im Hof hat er ja
nicht viel zu tun. Er muss nur da sein und sie beaufsichtigen, weiter nichts.
Das kann er. Das muss er können.
Mit zitternden Fingern wähle ich seine Nummer. Aber was, wenn er
keine Lust dazu hat? Oder keine Zeit? Oder wenn er einfach sagt ,
er hätte keine Zeit?
Alles klar, ich werde auf Nummer sicher gehen. Als er abhebt,
eröffne ich das Gespräch mit einem herzzerreiÃenden Schluchzer.
Heute bin ich noch nervöser als beim ersten Mal. Dabei
habe ich eigentlich gar keinen Grund dazu.
Frau Kränzlein hat mich im ersten Moment gar nicht wiedererkannt.
Ich habe nämlich beschlossen, den falschen Eindruck vom letzten Mal gründlich
zu korrigieren, und mich dementsprechend gekleidet: Ich trage ein
hochgeschlossenes, schwarzes Kostüm, das ich zum letzten Mal beim Begräbnis
meines GroÃonkels Ferdinand getragen habe, mein Haar habe ich zu einem Dutt
hochgebunden, und auf meiner Nase thront eine Krankenkassenbrille mit
erdbebensicherem Rahmen, die ich normalerweise nie trage, weil sie viel zu
hässlich ist.
Als Frau Kränzlein dann begriff, dass ich ihren Stil eins zu eins
übernommen habe, wurde sie auf einmal ganz umgänglich. Sie brachte mir sogar
eigenhändig Kaffee und plauderte ein bisschen mit mir, bis Dr. Baumann frei
war. Dem ging es dann ähnlich wie Frau Kränzlein, wobei er aber eher ein
bisschen enttäuscht zu sein schien.
Jetzt sitzen wir wieder auf der cremefarbenen Ledergarnitur und
tauschen ein paar Floskeln aus. Dr. Baumann schielt auf seine Uhr.
»Martina Wenzel müsste jeden Moment da sein.« Er macht eine
entschuldigende Geste. »Die Gute ist
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