Ich und er und null Verkehr
ein bisschen im Stress, weil ich sie vor
ihrem Urlaub noch mit Ihrem Buch überfallen habe. Aber es erschien mir wichtig,
weil ich Sie für sehr ⦠ähm ⦠talentiert halte.«
»Das freut mich«, sage ich möglichst lässig und platze innerlich
fast vor Stolz.
In diesem Moment geht die Tür auf, und eine Frau kommt herein. Dr.
Baumann erhebt sich. »Ah, da ist sie ja! Darf ich bekannt machen: Sandra
Wilding, Martina Wenzel. Martina Wenzel, Sandra Wilding.«
»Freut mich sehr«, sagt sie mit einem warmen Lächeln.
»Und mich erst!«
Während wir uns die Hände schütteln, unterziehe ich sie einer
kleinen Musterung. Ich schätze sie auf Mitte dreiÃig. Sie ist gröÃer als ich
und trägt Jeans und eine helle Bluse. Ihr kurzes, dunkles Haar passt gut zu
ihren klugen Augen.
Als wir wieder sitzen, legt sie gleich los: »So, als Erstes muss ich
mich bei Ihnen entschuldigen und zugleich auch bedanken. Von Ihnen zu
verlangen, alles stehen und liegen zu lassen, entspricht sonst nicht meiner
Art, aber da wir das Buch noch im Herbst platzieren wollen, blieb mir nichts
anderes übrig.«
»Oh, kein Problem. Ich bin flexibel«, plappere ich munter drauflos.
»Dann können Sie sich bei Ihrer Arbeit die Zeit frei einteilen?«
Ich nicke eifrig. »Ja, sozusagen.«
Sie wirft einen Blick auf ihre Unterlagen. »Sie sind also bei einem
Forschungsinstitut tätig, dem Behavioral Science Institute. Was genau
erforschen Sie denn da?«
Ui, jetzt heiÃt es aufpassen. Das habe ich nicht ganz korrekt
wiedergegeben in meinem Brief, aber »Behavioral Science Institute« klingt nun
mal wesentlich besser als »Kindergruppe Bienenstock«, nicht wahr?
»Also, wir beschäftigen uns da mit Verhaltensforschung ⦠an Kindern ⦠an Kleinkindern, um genau zu sein.«
Sie zieht die Augenbrauen hoch. »Interessant. Das heiÃt, Sie
arbeiten direkt mit den Kindern?«
Oh ja, direkter gehtâs gar nicht. Gerade vorhin hat Klara mir ihren
halben Joghurt auf die Hose gespuckt, als sie sich verschluckte.
»Genau, wir machen ständig Fallstudien und ⦠Gruppenversuche. Direkt
am Objekt, dabei aber streng wissenschaftlich.«
Sie sieht mich prüfend an, und ich merke, wie mir das Blut in den
Kopf steigt. Diese Frau sieht aus, als könnte man ihr nichts vormachen. Ob sie
etwas ahnt?
»Sehr gut, sehr gut«, murmelt sie dann, und ich atme heimlich aus.
»Gut, wir müssen jetzt schnell machen«, sagt sie dann mit einem Blick auf die
Uhr. »Kommen wir also gleich zum Wesentlichen. Wie schon gesagt, Ihre
Geschichten haben mir zum Teil sehr gut gefallen. Ich stelle mir vor, dass wir
die besten fünf davon auswählen und daraus ein Buch machen. Ich dachte da an
die Geschichte mit dem Zähneputzen, dann die mit dem Ãberqueren der StraÃe, die
mit dem Sparen und â¦Â« Sie blättert in
den Unterlagen. »â¦Â die mit dem
Skiausflug und ⦠ja, genau, die, wo die beiden in die Vorschule kommen. Wären
Sie damit einverstanden?«
Nur fünf Geschichten? Ich habe doch
zwanzig geschrieben.
»Na ja, also ⦠reichen fünf denn?«, frage ich unsicher.
»Auf jeden Fall«, versichert sie mir schnell. »Kinderbücher sind
nicht so umfangreich, und das Ganze wird ja auch noch illustriert.«
»Oh, dazu habe ich auch schon ein paar Entwürfe gemacht, wie Sie
sehen«, sage ich und deute auf das Manuskript.
»Ja, die habe ich gesehen. Unser Grafiker findet Ihre Anregungen
sicher interessant.« Sie lacht. »Sind wirklich lustig, die Strichmännchen.«
Was denn für Strichmännchen?
»Wir stellen uns das so vor«, mischt sich Dr. Baumann ein, als er
mein Zögern bemerkt. »Wir starten mit diesen fünf Geschichten, und wenn das
Buch gut ankommt, reichen wir fünf weitere nach.«
»Wir würden daraus eine Serie machen«, ergänzt Frau Wenzel.
Ach so, eine Serie. Eine Serie wäre gut. Das würde nämlich bedeuten,
dass ich die nächsten Jahre gar nichts zu tun bräuchte â wo doch noch fünfzehn
Geschichten übrig sind.
»Ein paar von den Geschichten finde ich allerdings nicht ganz so
gut«, redet sie weiter. »Die mit dem Bierwetttrinken und mit dem Joint sind
vielleicht ein bisschen zu grob, und dass zwei Fünfjährige sich in eine Disco
verirren ⦠Aber darüber brauchen wir
uns
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