Ich und er und null Verkehr
schreiben.«
»Etwas anderes? Was denn zum Beispiel?«
»Einen Roman. Eine witzige Geschichte über eine Frau, zum Beispiel.«
Ich soll einen Roman schreiben?
»Trauen Sie mir das denn zu?«, frage ich atemlos.
»Ich weià nicht. Trauen Sie es sich zu?«, erwidert sie. »Tatsache
ist, dass Sie einen flotten Schreibstil haben. Wenn Ihnen also eine witzige
Geschichte einfallen würde â¦Â«
»Also ⦠keine Ahnung. Ehrlich, darüber habe ich noch nie
nachgedacht. Das mit den Kindergeschichten hat sich von selbst ergeben, weil
mir auffiel, dass man viele Kinderbücher nur schwer vorlesen kann. Deshalb
begann ich, mir selbst Geschichten auszudenken. Und irgendwann habe ich sie
dann aufgeschrieben und ⦠na ja, an den einen oder anderen Verlag geschickt.
Den Rest kennen Sie ja. Aber einen richtigen Roman ⦠Ich weià nicht â¦Â«
»Ich erwarte jetzt auch keine Antwort von Ihnen«, sagt Frau Wenzel.
»Es sollte nur ein kleiner Denkanstoà sein, weil ich glaube, dass Sie Potenzial
haben. Die Sache ist nämlich die: Es ist gar nicht so leicht, Kindergeschichten
zu schreiben. Die meisten Leute unterschätzen das, weil es auf den ersten Blick
einfach aussieht. Dabei übersehen sie, dass Kinder ihre ganz eigenen
Vorstellungen von einem guten Buch haben, und das auf den Punkt zu bringen ist
nicht viel einfacher, als einen Roman zu schreiben, glauben Sie mir.«
»Wenn Sie meinen â¦Â«
»Ich werde als Nächstes Der schlaue Tim und der
doofe Max redigieren. Und was das andere betrifft, denken Sie einfach
mal in Ruhe darüber nach.«
»Okay«, sage ich. »Das werde ich.«
»Bestens.« Frau Wenzel lächelt, dann guckt sie auf die Uhr. »Ich
weià ja nicht, ob Sie so lange wegbleiben können, aber ein Glas Sekt wäre jetzt
irgendwie passend. Was meinen Sie?«
»Ach, das geht schon«, sage ich und setze einen klugen Blick auf.
»Heute haben wir keine besondere Versuchsreihe laufen in unserem Behavioral
Science Institute,und die bloÃe Beobachtung der
Studienobjekte schafft meine Kollegin auch alleine.«
Wir lachen beide, dann winkt Frau Wenzel dem Kellner.
Für den Rest des Tages bin ich in richtiger Feierlaune.
Nachdem die Kinder abgeholt worden sind, lade ich Kerstin zum Chinesen ein, und
der Pflaumenwein bringt unsere Phantasie so richtig auf Touren. Wir malen uns
aus, was für Geschichten ich schreiben könnte, und kommen auf jede Menge
witziger Frauenfiguren, die in meinen Büchern die unmöglichsten Abenteuer erleben
könnten.
Später fahre ich gut gelaunt nach Hause und nehme ein heiÃes
Aromabad. Umschlungen von Wärme und guten Düften, beginne ich wieder in meinen
Fantasien zu schwelgen, und als ich in sanften Schlummer falle, träume ich von
einem riesigen Empfang, zu dem ich und Martin eingeladen sind. Es ist eine
Preisverleihung oder so was in der Art, wir fahren in einer Limousine vor und
schreiten über einen roten Teppich. Ich trage ein raffiniert geschnittenes
Kleid aus weiÃer Seide und Martin einen Smoking, und hinter einer Absperrung
recken die Leute die Hälse nach uns. Ein Blitzlichtgewitter geht auf uns
nieder, und begeisterte Fans strecken mir die Ausgabe meines neuesten Buches
entgegen, damit ich es für sie signiere. Immer wieder höre ich ehrfürchtig gemurmelte
Sätze wie: »Das ist Sandra Wilding, die Schriftstellerin, und das daneben ist
Martin Becker, der Promianwalt â¦Â« oder: »Ja, genau, die Bestsellerautorin und
der Rechtsanwalt â¦Â«, und ich winke huldvoll in die Menge.
Als ich wieder aufwache, ist eine Stunde vergangen, und meine Haut
ist ganz schrumpelig und das Wasser kalt. Ich klettere aus der Wanne und dusche
mich heià ab, um mich wieder aufzuwärmen. Während ich mir die Haare föhne,
fällt mir wieder der Traum ein. Die Schriftstellerin und der
Anwalt. Das klingt nicht schlecht. Apropos, ich könnte den Anwalt mal
anrufen und fragen, wann er nach Hause kommt. Martin weià ja noch gar nichts
davon, dass ich jetzt ein richtiges Buch schreiben
soll.
Gerade als ich seine Nummer wählen will, läutet mein Handy. Na, so
ein Zufall, wahrscheinlich will er mich auch gerade anrufen. Ein Blick auf das
Display zeigt mir jedoch eine unbekannte Nummer. Wer das wohl sein kann?
»Sandra Wilding«, melde ich mich.
»Hier spricht Steffen Baumann«, kommt es aus dem
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