Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich und er und null Verkehr

Ich und er und null Verkehr

Titel: Ich und er und null Verkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Schneyder
Vom Netzwerk:
ich so getan, als liefe alles bestens, aber Philipp
dürfte den Braten gerochen haben, denn er grinste so hämisch, dass ich bei ihm
am liebsten die Joe-Winzigmann-Methode angewendet hätte.
    Und eines ist mir dabei klargeworden: Wenn ich den Fall Lorenz in
den Sand setze – und das werde ich, so wie es aussieht–, sind meine Tage bei Fichtel
& Wurzer
höchstwahrscheinlich gezählt.
    Hinterher hat sich Gottfried natürlich gleich dafür entschuldigt,
dass er mir den Fall Winzigmann aufgehalst hat, und es gelang mir nicht, ihm
klarzumachen, dass ich mir diese Suppe selbst eingebrockt habe und ihn
keinerlei Schuld trifft. Diesem Mann ist wirklich schwer zu helfen.
    Â»Ist doch kein Problem, das wird sich schon aufklären«, versuche ich
ihn jetzt zu beruhigen, aber er sieht richtig verzweifelt aus. Wie ein Häufchen
Elend sitzt er da, und mir drängt sich eine Frage auf: »Mal was Persönliches,
Gottfried: Bist du eigentlich zufrieden hier?«
    Er sieht überrascht hoch. »Wie … äh … zufrieden?«
    Â»Ich meine, hier in der Kanzlei. Bist du mit deinem Job zufrieden?«
    Die Frage scheint er sich noch nie gestellt zu haben. Er blinzelt
ein paar Mal verwirrt, dann sagt er: »Äh … ja, schon … ist schließlich mein
Beruf, und … ich verdiene ja auch gut.«
    Â»So? Wie viel zahlen sie dir denn?«
    Â»Ã„h … fünfzehnhundert. Netto«, sagt er stolz.
    Mir fällt fast die Kaffeetasse aus der Hand. Die speisen ihn mit
lächerlichen fünfzehnhundert ab? Das ist doch wohl ein schlechter Witz.
Gottfried kann zwar keinen Prozess führen, aber ansonsten ist er einer der
brillantesten Juristen, die ich kenne. Da geht’s mir vergleichsweise richtig
gut. Aber vermutlich hat Geld für Gottfried eine andere Wertigkeit, er bewohnt
eine winzige Zweizimmerwohnung, und der einzige Luxus, den er sich gönnt, ist
eine CD-Sammlung mit Wagner-Opern, womit er seinen Depressionen das nötige
Fundament verschaffen kann.
    Â»Und wie viel hast … äh … du?«, fragt er schüchtern und wird
flammend rot ob seiner Kühnheit.
    Â»Oh, etwa das Gleiche«, sage ich ausweichend. »Könnte jedenfalls
mehr sein. Aber darum geht’s mir eigentlich gar nicht, Gottfried. Was ich
wissen will, ist: Gibt es nichts, was dich hier stört? Wie sie dich behandeln,
zum Beispiel?«
    Gottfried sieht mir für einen winzigen Moment direkt in die Augen, und
an seinem Gesichtsausdruck sehe ich, dass ich einen wunden Punkt getroffen
habe.
    Â»Na ja … was ich nicht so toll finde, ist … äh … wenn ich zum
Gericht soll. Das liegt mir nicht so ganz.«
    Â»Genau, das finde ich auch«, stimme ich ihm zu. »Du bist ein Mann
für die Hintergrundarbeit, aber da bist du ein Ass.«
    Jetzt wird er knallrot. Mit einem Lob kann man Gottfried regelrecht
ermorden.
    Â»Ja? Ach, danke.« Dann zuckt er mit den Schultern. »Aber was soll
man machen? Ist nun mal mein … äh … Job.«
    Â»Ja, was soll man machen? Gute Frage.« Ich stehe auf und schnappe
mir die Akte. »Okay, dann fahre ich jetzt mal zu Bender. Bin schon gespannt,
wie der mir das erklären kann.«
    Â»Ja, gut. Da bin ich auch schon … äh … neugierig.«
    Auf der Fahrt zur Venusbar fällt mir Sandras Anruf von
vorhin wieder ein. Mich plagt ein bisschen das schlechte Gewissen, weil ich so
schroff zu ihr war. Andererseits, sage ich mir, habe ich doch allen Grund dazu.
Wie sie mich überfahren hat mit ihren Kinderplänen, das war einfach nicht okay.
Wenn eine Frau einem etwas unterbreitet und dabei jedes zweite Wort Liebe ist,
dann ist das doch glatte Erpressung. Da kann man einfach nicht Nein sagen, ohne
dass sie es falsch interpretieren würde. Das wusste sie auch, und sie hat es
ausgenutzt, ebenso wie den Umstand, dass ich angetrunken war.
    Dabei sollte man sich das doch genauestens überlegen, ob man Kinder
in die Welt setzt und eine Familie gründet. Da geht es nicht nur um persönliche
Wünsche und Befindlichkeiten, da geht es um die gesamte Situation.
    Das Finanzielle, zum Beispiel: Abgesehen davon, dass ich nicht weiß,
ob ich nächste Woche überhaupt noch einen Job haben werde, müssten wir
zumindest für die nächsten Jahre auf Sandras Einkommen verzichten. Sicher, sie
verdient nicht die Welt, aber auf Jahre gesehen kann das den

Weitere Kostenlose Bücher