Ich und er und null Verkehr
Hörer.
Steffen Baumann? Wer war das denn schnell noch? Moment, Dr. Baumann
vom Beckstein-Verlag! Als ich es kapiere, fällt mir vor Aufregung fast das
Handy aus der Hand.
»Herr Dr. Baumann, das ist ja eine Ãberraschung!«
»Ich hoffe, ich störe nicht«, sagt er.
»Oh, nein, überhaupt nicht«, beeile ich mich zu sagen. Was er wohl
will? Vielleicht will er mir auch ein neues Buchprojekt vorschlagen?
»Der Grund, warum ich Sie anrufe, ist eigentlich privater Natur«,
sagt er. »Ich dachte mir, jetzt, wo Sie ja sozusagen zur Verlagsfamilie
gehören, wäre es doch nett, wenn wir uns auch privat ein wenig kennenlernen
würden. Deshalb wollte ich Sie fragen, ob Sie vielleicht Lust auf ein
gemeinsames Abendessen hätten, am Freitag zum Beispiel.«
Ich bin so überrascht, dass ich kein einziges Wort hervorbringe.
»Nur, wenn Sie möchten, natürlich«, beeilt er sich zu sagen. »Und
völlig unverbindlich, damit Sie das nicht falsch verstehen.«
»Ja, also ⦠Das kommt jetzt
ein bisschen überraschend für mich«, sage ich vage.
»Ich will Sie nicht überfahren«, erklärt er in lockerem Ton. »Sie
können sich das ja in Ruhe überlegen, und ich rufe Sie morgen noch mal an,
okay?«
»Gut, ja, okay«, sage ich zögernd.
»Wenn Sie keine Lust haben, können Sie es ruhig sagen. Ich bin ein
groÃer Junge, ich verkrafte das schon. Und, wie gesagt, mir geht es nur darum,
ein bisschen mehr über Sie zu erfahren, weil ich Sie für eine interessante
Persönlichkeit halte.«
»Ãh, ja ⦠gut, ich überlege mir das. Bis morgen dann.«
Nachdem ich aufgelegt habe, bin ich wie in Trance. Eine interessante
Persönlichkeit. Dr. Steffen Baumann, der verlegerische Geschäftsführer des
groÃen Beckstein-Verlages, hält mich für eine interessante Persönlichkeit!
Er will mit mir ausgehen, in ein piekfeines Restaurant
wahrscheinlich, und er will mich näher kennenlernen. Das wird schön, das wird
phantastisch, das â geht ja gar nicht.
Ich bin doch in einer festen Beziehung, und wer weiÃ, vielleicht
will er ja doch nicht nur reden, sondern etwas ganz anderes â¦
Und ich habe doch meinen Martin. Da kann ich doch nicht â¦
Oder doch? Es wäre ja nur ein Abendessen.
Nein, das geht nicht. Ich werde ihm morgen klipp und klar sagen,
dass ich fest vergeben bin, und er wird es verstehen und akzeptieren. Ich bin
zwar eine interessante Persönlichkeit, aber in festen Händen, so einfach ist
das. Ich habe bereits den Mann gefunden, den ich liebe. Ich habe Martin. So,
und den werde ich jetzt gleich mal anrufen, weil ⦠Wir sind doch ein Paar und
so.
Es läutet lange, bis er rangeht.
»Ja?«, sagt er kurz angebunden.
»Hi, Martin, Schatz. Wo bist du denn?«, sage ich fröhlich.
»Ich bin noch in der Kanzlei«, gibt er zurück. »Hab eine Menge um
die Ohren. Beim Fall Lorenz komme ich keinen Millimeter voran, und nachdem ich
die Brötchen ja in Zukunft alleine verdienen muss â¦Â«
Seine Worte sind wie eine kalte Dusche für mich. Das klingt ja gar
nicht gut. Bin ich etwa zu weit gegangen?
»Oh, äh ⦠das tut mir leid«, stammle ich. »Ich wollte eigentlich nur
fragen, wann du nach Hause kommst?«
»Nach Hause kommen?«, sagt er kühl. »Wozu denn? Um auf der Couch zu
hocken und Spermien zu speichern?«
Seine Worte treffen mich wie ein Boxhieb. Ich bin knapp davor, in
Tränen auszubrechen, und ich ärgere mich über seine Gefühllosigkeit.
»Na gut, dann eben nicht«, sage ich mit erstickter Stimme und lege
auf.
Mein Gott, irgendwie läuft das total schief. Ich bin wie betäubt.
Mein Gefühl sagt mir, dass wir dringend miteinander reden sollten, in Ruhe und
in aller Vernunft. Alles über Bord werfen, was sich an Missverständnissen
angesammelt hat in letzter Zeit, und wieder ganz von vorne beginnen. Aber es
gibt noch eine andere Stimme in mir, die mir sagt, dass Martin vielleicht gar
nicht bereit ist für eine richtige Beziehung. Wenn er bei dem Gedanken, mit mir
eine Familie zu gründen, so störrisch reagiert, dann stellt sich doch die
Frage, ob er mich wirklich liebt.
Bei diesem Gedanken fühle ich, wie mein Herz ganz schwer wird. Tiefe
Wehmut überkommt mich. Ich fühle mich so klein und schutzlos, dass ich mich nur
noch verkriechen will.
Als ich mich im
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