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Ich und er und null Verkehr

Ich und er und null Verkehr

Titel: Ich und er und null Verkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Schneyder
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kitschigen
Melodram die Augen ausheulen.
    Â»So? Was denn?«
    Â»Was? Also, was man so kocht mit Zwiebeln … Gulasch. Ja genau,
Gulasch, in einer Kanone. In einer Gulaschkanone.« Was rede ich denn da? Der
muss mich doch für völlig bescheuert halten.
    Â»Gulasch? In einer Gulaschkanone? Für wen machen Sie denn so eine
Riesenmenge?«
    Wird das eine Riesenmenge in einer Gulaschkanone? Ich dachte, die
Dinger heißen so, weil es damit schneller geht. Wie aus der Kanone geschossen
oder so.
    Â»Ã„h, das ist für das … Armenhaus, das ich … unterstütze.« Ich merke,
dass ich rot werde. Gut, dass er mich jetzt nicht sehen kann.
    Â»Sie engagieren sich für wohltätige Projekte?«, sagt er. »Interessant.
Aber weswegen ich Sie eigentlich anrufe …
Haben Sie es sich schon überlegt wegen unserer Verabredung am Freitag?«
    Â»Unsere Verabredung? Oh, ja, habe ich … und … ja, das geht in
Ordnung.« Ich bin auf einmal so aufgeregt wie ein Teenager vor seinem ersten
Rendezvous.
    Â»Fein, das freut mich.« Er klingt erleichtert. »Ich habe einen Tisch
reservieren lassen, im Prado,um acht. Ich hoffe, das
passt Ihnen.«
    Â»Im Prado?« Das Prado ist das In-Restaurant der Stadt. Normalerweise muss man da auf Monate vorreservieren.Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie auch Susi große Augen
macht. »Wahnsinn!«, entfährt es mir. »Äh … ich meine, gut, das Pradopasst mir«, sage ich dann so, als wäre ich dort Stammgast.
    Â»Hervorragend«, sagt Dr. Baumann. »Soll ich Sie abholen?«
    Â»Abholen? Äh, nein, danke, ich komme selbst hin. Ich habe vorher
noch einiges zu erledigen. Um acht, sagten Sie?«
    Â»Ja, um acht.« Dann verändert sich plötzlich der Tonfall seiner
Stimme. Er klingt auf einmal ganz … vertraulich. »Und, Frau Wilding … Ich freue mich schon darauf.«
    Â»Ã„h, ja … ich freue mich auch«, antworte ich ganz automatisch.
    Â»Er hat einen Tisch im Prado reserviert?«, quietscht Susi hysterisch
los, sobald ich das Gespräch beendet habe.
    Â»Ja. Kaum zu glauben, was?«
    Â»Super! Weißt du schon, was du anziehst?«
    Â»Keine Ahnung. Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht.«
    Â»Wenn du willst, kannst du was von meinen Sachen nehmen«, bietet sie
an.
    Â»Nein, bloß nicht!«, sage ich hastig und ernte einen beleidigten
Blick dafür. »Ich meinte, danke, das ist lieb von dir. Aber ich habe schon das
Richtige, denke ich.«
    Â»Ehrlich?« Sie wirkt ein bisschen enttäuscht.
    Â»Aber weißt du, was du machen könntest? Du könntest mir wieder so
ein tolles Make-up verpassen wie beim letzten Mal.«
    Â»Au ja, das mache ich gerne«, strahlt sie. »Welchen Look nehmen wir
denn diesmal?«
    Â»Hm. Ich dachte da an Kim Basinger … mit einem Touch Michelle
Pfeiffer vielleicht …«
    Â»Klingt gut. Aber sollten wir nicht noch was Jüngeres dazunehmen?«,
sinniert Susi. »Wie wär’s mit Keira Knightley?«
    Â»Keira Knightley?«, hauche ich fasziniert. »Das bringst du fertig … mit meinem Gesicht?«
    Â»Was soll denn das heißen, mit deinem Gesicht?«Susi
kichert. »Du siehst doch aus wie ihre Zwillingsschwester, nur nicht so dünn.
Wusstest du das nicht?«
    Â»Nein, wusste ich nicht.«
    Â»Ist aber so, ich schwör’s«, beteuert sie.
    Â»Susi?«
    Â»Ja?«
    Â»Was machst du da mit deiner Hand?«
    Â»Mit welcher Hand?«, fragt sie unschuldig.
    Â»Mit der hinter deinem Rücken! Kreuzt du etwa gerade deine Finger?«
    Â»Meine Finger kreuzen? Aber nein, überhaupt nicht. Ich … kratze mich nur. Es juckt da ganz
entsetzlich.«
    Und zur Bestätigung beginnt sie sich jetzt wirklich heftig am Rücken
zu kratzen.
    Ich steige gerade aus der Dusche, als Martin nach Hause
kommt. Es ist schon nach elf, er riecht nach Alkohol und sieht ziemlich fertig
aus. Bei seinem Anblick verkrampfe ich mich augenblicklich.
    Â»Hallo«, sage ich zaghaft.
    Â»Hallo«, entgegnet er tonlos. Dann wirft er einen vorwurfsvollen
Blick auf meine Nacktheit und verlässt den Raum. Ich fühle, wie sich mein Herz
zusammenschnürt. Mein Gott, das alles scheint ihn wirklich schwer zu belasten.
Was soll ich bloß tun? Soll ich doch mein Versteckspiel aufgeben und ihn um
Verzeihung bitten?
    Aber womöglich hat Susi ja recht.

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