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Ich und er und null Verkehr

Ich und er und null Verkehr

Titel: Ich und er und null Verkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Schneyder
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Damit würde ich meine Position
extrem verschlechtern. Außerdem, wie er sich hat bedienen lassen – und zwar in
jeder Hinsicht –, das war doch auch nicht in Ordnung. Wieso soll also nur ich
mich entschuldigen? Genau genommen müssten wir uns doch beide entschuldigen.
    Nur, wer macht den Anfang?
    Als ich mir den Bademantel übergezogen habe, gehe ich zögerlich in
die Küche. Martin sitzt am Esstisch. Er hat sich eine Flasche Bier aus dem
Kühlschrank genommen und starrt trübe vor sich hin. Mein Herz zieht sich sofort
wieder zusammen.
    Ich nehme mir ein Glas Milch und setze mich zu ihm.
    Â»Wie läuft’s?«, erkundige ich mich vorsichtig.
    Â»Beschissen«, gibt er knapp zurück und starrt dabei auf die
Bierflasche.
    Â»Beruflich oder … privat?«, frage ich und komme mir dabei richtig
blöd vor.
    Â»Beides«, sagt er. »Aber im Moment vor allem beruflich.«
    Â»Ist es … dieser Fall Lorenz?« Ich weiß, dass wir Stillschweigen
vereinbart haben, was das angeht. Aber über irgendwas müssen wir doch reden.
    Martin nickt. »Ich habe alles versucht, um es wieder hinzubiegen«,
sagt er, und der Vorwurf in seinem Blick ist unübersehbar. »Aber es hat keinen
Sinn.« Er macht eine hilflose Geste mit der Hand. »Rebecca wird mich
fertigmachen, und sie wird es genießen.«
    Rebecca? Meint er etwa Rebecca Theesink, seine Ehemalige? Ist sie die gegnerische Anwältin?
    Jetzt wird mir auf einmal klar, warum ihn diese Sache so bedrückt.
Martin und ich haben nie viel über vergangene Beziehungen geredet, aber ich
habe mitbekommen, dass sie eine totale Karriereanwältin ist. Und obwohl Martin
behauptet, er habe mit ihr Schluss gemacht, weil sie ihm zu pedantisch war,
hatte ich doch immer den Verdacht, dass er sich ihr irgendwie … unterlegen
gefühlt hat.
    Â»Ist es das, was dich so fertigmacht?« Ich greife instinktiv nach
seiner Hand. »Hast du Angst, dass du gegen sie verlierst?«
    Ich bereue es sofort, dass ich das ausgesprochen habe. Martins Kopf
fährt hoch, er reißt seine Hand unter meiner weg und feuert einen wütenden
Blick auf mich ab.
    Â»Angst, dass ich gegen sie verliere?«, zischt er, und seine Augen
verengen sich zu schmalen Schlitzen. »Sandra, ich werde nicht gegen Rebecca
verlieren. Ich werde gegen dich verlieren. Du hast mir das eingebrockt, mit Rebecca hätte ich kein
Problem gehabt. Ich hatte alles im Griff, bis du …« Er findet keine weiteren Worte, stattdessen steht er abrupt
auf. Einen Moment lang befürchte ich, dass er seine Bierflasche gegen die Wand
schleudern wird, und ich ducke mich, aber dann stellt er die Flasche einfach
nur in die Spüle und geht.
    Hilflos bleibe ich sitzen, unfähig, mich zu rühren. Ich kämpfe gegen
meine Tränen an, verliere den Kampf aber schon nach wenigen Sekunden. Was habe
ich jetzt schon wieder angerichtet? Alles, was ich in letzter Zeit anpacke,
mündet in eine Katastrophe, und ich fühle mich so minderwertig und nutzlos wie
noch nie.
    Ich muss mit Martin reden. Ich muss alles aufklären, ich muss …
    Aber es hätte ja doch keinen Sinn. Er würde mir in seiner jetzigen
Verfassung gar nicht zuhören.
    Die Erkenntnis trifft mich mit voller Wucht. Und zugleich
beschleicht mich eine entsetzliche Furcht. Wird er mir jemals wieder zuhören? Wie er mich gerade angesehen hat, dieser Gesichtsausdruck, das
hatte etwas so entsetzlich … Endgültiges.

Er
    Es ist schon seltsam. Wenn man weiß, dass man hingerichtet
wird, was hat es da noch für einen Sinn, sich zu duschen, zu rasieren und seinen
besten Anzug anzuziehen? Und dann auch noch freiwillig zu seiner eigenen
Hinrichtung zu fahren?
    Dennoch habe ich genau das getan. Als ich gemeinsam mit Ivana Lorenz
den Verhandlungssaal betrete, erwarten uns schon alle. Rebecca in ihrem
dunkelblauen Kostüm sieht wieder aus wie dem Wall Street Journal entsprungen.
Sie begrüßt mich mit einem siegesgewissen Lächeln, und Hermann Lorenz hockt
neben ihr wie eine fette Kröte. Ivana klammert sich Schutz suchend an meinen
Arm, und ich geleite sie zu unserem Platz. In der zweiten Reihe sitzen Fichtel,
Wurzer und Philipp Streiff, und auch den armen Gottfried haben sie
mitgeschleppt. Ich bedeute Ivana, sich zu setzen, als Wurzer mich zu sich
winkt.
    Â»Ich hoffe, Sie haben sich gut vorbereitet«, meint er augenzwinkernd.
»Ich habe gesehen, dass

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