Ich und er und null Verkehr
»â¦Â und einer richtigen
Frontsau.«
Wir schaffen das. Gottfried und ich schaffen das. Wir
werden eine kleine, aber feine Rechtsanwaltskanzlei gründen, und wir werden
Erfolg damit haben.
Ich habe mich mit Gottfried im hintersten Winkel eines Cafés
zusammengesetzt und alles mit ihm besprochen, und wir sind zu dem Ergebnis
gekommen, dass unsere Chancen gar nicht so schlecht stehen.
Die Sache ist nämlich die: Wir haben beide unsere Mandanten. Ich
habe Ivana Lorenz, die in Zukunft einiges an Vermögen zu verwalten hat, und ich
habe Erich Bender. Natürlich muss ich als Erstes den Schaden an seinem Mercedes
abarbeiten, aber auch danach wird es bei ihm einiges zu tun geben. Er setzt
riesige Summen um, und er ist in einem Gewerbe tätig, in dem Probleme praktisch
vorprogrammiert sind.
Und ich habe im Laufe der Jahre jede Menge anderer Klienten vertreten,
deren Rechtsbeistand nicht die Kanzlei Fichtel & Wurzer war, sondern Dr.
Becker. Also ich.
Abgesehen davon verfüge ich über zwei äuÃerst ergiebige Quellen, was
den Nachschub an scheidungswilligen Mandanten betrifft: Henning und Blinky. Auf
Hennings Couch landen regelmäÃig beziehungsmüde Seelen, die auf juristischen
Beistand angewiesen sind, um ihr Leben neu zu regeln.
Und Blinky als Privatdetektiv, was soll ich sagen? Jeder zweite
seiner Fälle landet in weiterer Folge automatisch auf meinem Schreibtisch.
Rückblickend betrachtet war ich sogar ein ziemlicher Idiot, dass ich mich nicht
schon längst selbstständig gemacht und stattdessen die ganzen fetten Honorare
Wurzer und Fichtel in ihre unersättlichen Rachen geworfen habe.
Aber im Grunde genommen weià ich auch, warum ich diesen Schritt nie
gewagt habe. Ich bin ein guter Scheidungsanwalt, und ich kenne mich im
Strafrecht aus. Das warâs dann aber schon. Die Juristerei ist nämlich ein
wahres Monster. Bei dreiÃigtausend Seiten an neuen Gesetzestexten jährlich ist
es unmöglich, stets überall auf dem neuesten Stand zu bleiben, auÃer man ist
ein Vollblutjurist wie Gottfried oder ⦠na ja, wie Rebecca.
Sandra hatte übrigens vollkommen recht mit ihrer Vermutung, ich
hätte Angst, gegen sie zu verlieren. Rebecca ist nämlich eine verdammt gute
Anwältin. Sie geht völlig in ihrem Beruf auf, und das war auch der Grund, warum
ich mich damals von ihr getrennt habe. Ich habe mich eine Zeit lang von ihrem
Enthusiasmus mitreiÃen lassen, habe mir eingeredet, dass auch mein Leben nur
aus Paragrafen bestünde, aber irgendwann konnte â Unsinn, wollte ich nicht mehr mit ihr mithalten. Umso gröÃer war heute meine Genugtuung bei
der Verhandlung, als ich die absurdesten Behauptungen aufstellte und Richter
Hössmann Rebeccas Einsprüche allesamt abschmetterte.
Bei der Erinnerung daran muss ich unwillkürlich grinsen. In jeden
zweiten Satz habe ich die Wörter »Spanien« und »strenge Bestrafung« eingebaut
und dabei Richter Hössmann angeschaut, und jedes Mal ist er zusammengezuckt,
als hätte seine Domina mit der Peitsche geknallt. Er wusste, wie fatal es für
seine Richterlaufbahn wäre, wenn durch eine, sagen wir mal, kleine Indiskretion
sein ungewöhnliches Hobby durchsickern würde, und ihm blieb gar nichts anderes
übrig, als Ivana alles zuzusprechen, was wir verlangten.
Und das Tüpfelchen auf dem i war dann Hermann Lorenz. Als Rebecca
auÃer sich vor Empörung Berufung gegen das Urteil einlegen wollte â jeder
vernünftige Anwalt hätte das getan â, stand er kurzerhand auf und erklärte,
dass er auf eine Berufung verzichten wolle. Weil das ohnehin nur Peanuts seien
und er keine Lust habe, noch mehr Geld für völlig inkompetente Rechtsanwälte zu
verschleudern.
Völlig inkompetent! Das ging mir runter wie Butter, und Rebecca
verschlug es buchstäblich die Sprache. Ivana war so aus dem Häuschen, dass sie
mich noch im Gerichtssaal mitten auf den Mund küsste und mir ins Ohr flüsterte,
dass wir das bei Gelegenheit ordentlich feiern müssten. Ein verlockendes
Angebot, von dem ich natürlich keinen Gebrauch machen werde. Dennoch, es
schmeichelt meinem männlichen Ego.
Und jetzt bin ich endlich frei. Ich muss nicht mehr Versteck
spielen, muss nicht mehr so tun, als wüsste ich rundherum Bescheid, endlich
kann ich klipp und klar sagen, wenn ich mich irgendwo nicht auskenne, und mir
von Gottfried auf die Sprünge helfen
Weitere Kostenlose Bücher