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Ich Und Kaminski

Ich Und Kaminski

Titel: Ich Und Kaminski
Autoren: Daniel Kehlmann
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seufzend hinaus. In meinem Zimmer, das noch kleiner war als seines, zog ich mich aus, legte mich nackt ins Bett, versteckte meinen Kopf unter der Decke und dämmerte ein. Als Wegenfeld anrief, hatte ich drei Stunden traumlos geschlafen.
    Ich brauchte eine Weile, bis ich Kaminskis Zimmer wiedergefunden hatte. An der Tür hing das Nicht-stören- Schild, aber sie war nicht abgeschlossen. Ich öffnete leise.
    »...hatte er diese Idee«, sagte Kaminski gerade, »ununterbrochen sich selbst zu malen, mit dieser Mischung aus Haß und Selbstliebe. Er war der einzige Größenwahnsinnige, der einfach völlig recht hatte.« Die Frau saß aufrecht, die Beine verschränkt, den Rücken an die Wand gelehnt, auf dem Bett. Sie war stark geschminkt, hatte rote Haare, trug eine durchscheinende Bluse, einen kurzen Rock und Netzstrümpfe. Auf dem Boden standen säuberlich nebeneinander ihre Stiefel. Kaminski, angezogen und im Schlafrock, lag auf dem Rücken, die Hände auf der Brust gefaltet, den Kopf auf ihrem Schoß. »Ich fragte ihn also: Muß es wirklich der Minotaurus sein? Wir waren in seinem sehr ordentlichen Atelier, nur für die Fotos hat er es immer verwüstet, und er sah mich mit diesen schwarzen Götteraugen an.« Die Frau gähnte und strich ihm langsam über den Kopf. »Ich sagte, der Minotaurus - überschätzt du dich da nicht? Und das hat er mir nie verziehen. Hätte ich über seine Bilder gelacht, wäre es ihm egal gewesen. Kommen Sie herein, Zöllner!«
    Ich schloß die Tür hinter mir.
    »Merken Sie, wie sie duftet? Kein teures Parfüm, auch ein bißchen zu stark. Aber was macht das! Wie heißen Sie?«
    Sie warf mir einen kurzen Blick zu. »Jana.«
    »Sebastian, seien Sie froh, daß Sie jung sind!«
    Er hatte mich noch nie beim Vornamen genannt. Ich sog prüfend die Luft ein, aber da war kein Parfüm. »Das geht wirklich nicht«, sagte ich. »Sie ist beim Hereinkommen aufgefallen. Der Direktor hat angerufen.«
    »Sagen Sie ihm, wer ich bin!«
    Ich schwieg betreten. Auf dem Tisch lag ein kleiner Notizblock, nur ein paar Blätter dick, zurückgelassen von irgendeinem Gast. Darauf war eine Zeichnung. Kaminski setzte sich schwerfällig auf. »Nur ein Scherz. Dann müssen Sie wohl gehen, Jana. Ich bin sehr dankbar.«
    »Schon gut«, sagte sie und begann ihre Stiefel anzuziehen. Aufmerksam sah ich das Leder über ihr Knie streichen, für einen Augenblick entblößten sich ihre Schlüsselbeine, das rote Haar fiel ihr weich in den Nacken. Ich griff schnell nach dem Block, riß das oberste Blatt ab und steckte es ein. Ich öffnete die Tür, Jana folgte mir schweigend hinaus.
    »Keine Sorge«, sagte sie, »er hat schon bezahlt.«
    »Wirklich?« Und vorhin hatte er behauptet, er hätte kein Geld dabei! Doch so eine Gelegenheit durfte ich nicht vorbeigehen lassen. »Kommen Sie mit!« Ich führte sie in mein Zimmer, schloß die Tür hinter ihr und gab ihr einen Geldschein. »Ich will etwas wissen.«
    Sie lehnte sich an die Wand und sah mich an. Sie mußte neunzehn oder zwanzig sein, nicht älter. Sie verschränkte die Arme, hob einen Fuß und drückte die Schuhsohle gegen die Tapete; das würde einen häßlichen Abdruck geben. Sie warf einen Blick auf mein zerwühltes Bett und lächelte. Verärgert spürte ich, daß ich rot wurde.
    »Jana...« Ich räusperte mich. »Ich darf doch Jana sagen?« Ich mußte aufpassen, daß ich sie nicht verunsicherte.
    Sie zuckte die Achseln.
    »Jana, was wollte er?«
    »Wie?«
    »Was gefällt ihm?«
    Sie runzelte die Stirn.
    »Was sollten Sie tun?«
    Sie trat einen Schritt zur Seite, weg von mir. »Das haben Sie doch gesehen.«
    »Und vorher? Das war doch nicht alles.«
    »Natürlich war das alles!« Sie sah mich entgeistert an. »Sie sehen doch, wie alt er ist. Was haben Sie für ein Problem?«
    Das Parfüm mußte er sich eingebildet haben. Ich zog den einzigen Stuhl heran, setzte mich, fühlte mich unsicher, stand wieder auf. »Er hat nur geredet? Und Sie haben ihm den Kopf gestreichelt?«
    Sie nickte.
    »Finden Sie das nicht seltsam?«
    »Eigentlich nicht. Sie?«
    »Woher hatte er Ihre Telefonnummer?«
    »Ich glaube, von der Auskunft. Er ist ziemlich schlau.« Sie strich ihre Haare zurück. »Wer ist er eigentlich? Er muß früher ziemlich...!« Sie lächelte. »Sie wissen schon. Er ist nicht mit Ihnen verwandt, oder?«
    »Wieso?« Mir fiel ein, daß Karl Ludwig das gleiche gesagt hatte. »Ich meine, wieso nicht, wieso glauben Sie das?«
    »Ach, das merkt man doch! Kann ich jetzt gehen...« Sie sah
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