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Ich vergebe dir - Bucciarelli, E: Ich vergebe dir - Io ti perdono

Ich vergebe dir - Bucciarelli, E: Ich vergebe dir - Io ti perdono

Titel: Ich vergebe dir - Bucciarelli, E: Ich vergebe dir - Io ti perdono Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabetta Bucciarelli
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auf, um das Fenster zu schließen. Blickte nach unten. Ein automatischer Reflex.
    Unter ihr wühlte ein Obdachloser in einem Mülleimer. Zog Tüten heraus. Steckte sich Müllreste in den Mund. Er spähte nach links, dann nach rechts, als habe er Angst, beobachtet zu werden. Stopfte etwas in die beiden, bereits prallvollen Plastiktüten. Dann schlurfte er in Richtung des Supermarkts. Er war dick. Er ernährt sich von den Abfällen der Welt. Welche Mengen mögen das wohl sein?, dachte Maria Dolores bei sich.
    Der Fernseher lief noch immer, ein Konzert der Gruppe Jamiroquai . Der Sänger trug einen schwarzen Samthut. I can’t see, I can’t breath, No more will we be. And nothing’s going to change the way we live. Das Licht der Bildröhre vermischte sich mit jenem der Straßenlaternen in der Via Gustavo Modena. Bläulich, violettfarben. Malte Schnörkel auf das Gesicht der Kommissarin und verformte ihre Züge.
    Ein Tonsignal zeigte an, dass sie eine Nachricht über Skype erhalten hatte. Doch sie hörte nichts. Erst das Klingeln ihres Festnetzes riss sie aus ihren Gedanken hoch. Sie griff im Dunkeln zum Hörer und drückte auf den Rufannahmeknopf, doch der Anrufer hatte bereits aufgelegt. Ein erneutes Klingeln, dieses Mal von ihrem Handy. Auf dem Display erkannte sie die Nummer von Luca Righi. Noch ein Mann. Im Kopf der Kommissarin herrschte derzeit vor allem Chaos. Und in ihrem Herzen eine Menge Löcher. Dennoch hatte sie keine Lust, Ordnung in das Ganze zu bringen. Sie ließ es einfach, wie es war. Dieses eine Mal wenigstens. Und erlaubte dem anderen, mit ihr zu sprechen. Was war schon schlimm daran.
    »Bist du wach?«
    »Ja. Arbeitest du?«
    »Ja, heute Nacht ist der Teufel los. Zwei Festnahmen. Schon wieder Drogen.«
    »Dann machen wir’s lieber kurz.«
    »Nein, bleib noch.«
    »Nur fünf Minuten, ich bin total erledigt.«
    »Erzähl mir was.«
    »Ich hab nicht viel zu erzählen. Sag du was.«
    »Du fehlst mir ohne Ende.«
    »Wir hören uns morgen.«
    »Du weichst mir ständig aus.«
    »Wir haben das so vereinbart. Ich versuche nur, konsequent zu sein. Du kannst mir dabei helfen.«
    »Ja, du hast Recht.«
    »Pass auf dich auf.«
    »Mach dir keine Sorgen. Ich muss Schluss machen, die anderen warten auf mich. Gute Nacht.«
    »Gute Nacht.«
    Verzicht ist eine Offenbarung. Sie dachte über diesen Satz so lang wie möglich nach. Doch am Ende fühlte sie sich von dieser Aussage weder bekräftigt, noch barg sie irgendeine Lösung für sie. Sie hatte einen Entschluss getroffen, er akzeptierte ihre Entscheidung.
    In seiner Situation – verheiratet, zwei Kinder, eine Lehrerin als Frau und ein Gehalt als Beamter bei der Guardia di Finanza – konnte er sich keinerlei Freiheiten leisten. Alimente an seine Frau zahlen? Vor die Tür gesetzt werden? Und von was leben? Das Maß an Freiheit richtete sich immer auch nach den Umständen. Die Liebe hielt eine Weile an und zerplatzte dann, sobald der Gedanke an das Materielle sie erreichte. Ohne das ging es eben nicht.
    Zwischen ihnen beiden war bisher noch nichts vorgefallen. Und doch waren sie schon dabei, an die Zukunft zu denken. Jeder für sich. Ohne jemals darüber zu reden. Sie hatten keine Wahl. Und doch war sie für die Rolle einer Frau auf Abruf noch nie geschaffen gewesen. Für die Liebe auf dem Autositz oder in einem Motel außerhalb der Stadt. All das hatte nichts zu tun mit den Tausenden von lustigen, ja sogar einigermaßen befriedigenden Sexgeschichtchen während der Mittagspause. Oder mit den oralen Befriedigungen, von denen nichts übrig blieb als der fahle Geschmack des Danach und der Leere.
    Ihre Geschichte ging von ganz anderen Voraussetzungen aus. Sie hatte noch nicht mal begonnen, da schien sie schon beendet. Und für die Kommissarin war sie weder die erste, noch würde sie die letzte dieser Art sein. Das wusste sie.

21
    Überlegt plant der Haardieb jeden einzelnen seiner Schritte. Ein Gesicht mit vorspringenden Augen wie bei einem Ochsen. Helle Haut, strohblondes Haar. Ein Durchschnittsmensch in allem: Größe, Gewicht, Alter. Vermutlich um die fünfzig. Zu seiner grauen, zerbeulten Jacke trägt er eine dunkle Stoffhose und beigefarbene Mokassins. Dreitagebart. Dazu die restlichen, schütteren Haare seitlich am Kopf. Jetzt steigt er in den Bus, stempelt seinen Fahrschein. Bedächtig wie ein Rutengänger blickt er um sich. Wählt das Objekt seiner Begierde. Achtsame Schritte, die Augen auf den Boden geheftet.
    Seine groben Hände wühlen in den tiefen Taschen

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