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Ich vergebe dir - Bucciarelli, E: Ich vergebe dir - Io ti perdono

Ich vergebe dir - Bucciarelli, E: Ich vergebe dir - Io ti perdono

Titel: Ich vergebe dir - Bucciarelli, E: Ich vergebe dir - Io ti perdono Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabetta Bucciarelli
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nach etwas. Eine Schneiderschere, mit schwarzem Griff. Dann ein präziser Handgriff. Flink. Die zierlichen Finger mit den abgekauten Nägeln öffnen die Schneide. Ein klarer Schnitt, und die Beute landet in seiner Tasche, bevor ihm das Öffnen der Türen an der nächstmöglichen Haltestelle die Flucht erlaubt.

22
    »Und, Maria Dolores, wie schaut’s aus?« Pietro Corsari warf ihr einen provozierenden Blick zu, und bevor sie reagierte, fragte sie:
    »Was meinst du denn?«
    »Wolltest du mir nicht eine Liste schreiben mit den vermissten Frauen?«
    »Hier«, sie reichte ihm das Blatt, doch bevor er danach greifen konnte, zog sie ihre Hand wieder zurück und begann laut vorzulesen: »Das Ausschlussverfahren ermöglicht folgendes Ergebnis: Die Radiografie des Handgelenks und des Schambeins lässt uns auf das ungefähre Alter schließen, d.h. zwischen 18 und 20 Jahren, Minderjährige sind ausgenommen. Nasen- und Schädelindex sowie Gesichtsmorphologie zusammen mit der Schädelbasis legen die Vermutung nahe, dass es sich weder um eine Frau asiatischer noch afrikanischer ebenso wenig wie indianischer oder nordischer Abstammung handelt. Vielmehr gehört sie zum engeren Kreis der kaukasischen Rasse. Ethnische Untergruppe: mediterran. In den 70er Jahren sind sieben Frauen verschwunden, die auf diese Beschreibung passen, und bis Ende 1985 weitere zehn; später dann eine erheblich höhere Anzahl. Afrikanerinnen, Südamerikanerinnen, Philippininnen, Chinesinnen. Aufgrund der Überreste einiger schwarzer, sehr langer Haare scheiden alle Rothaarigen, Blonden und Brünetten aus, ebenso wie Kurzhaarige. Schließlich bleiben noch insgesamt fünf Italienerinnen übrig, die auf das Profil passen. Zwei mit Zahnfüllungen und eine mit Wundgewebe, das aus früheren Knochenbrüchen stammt. Im vorliegenden Fall liegen uns jedoch weder Zahnfüllungen noch Verwachsungen infolge einer Verletzung vor. Bleiben also noch zwei Italienerinnen und sieben Ausländerinnen übrig. Alle neun verschwanden zwischen Ende der 70er und Mitte der 80er Jahre. Ich habe dir alles hier aufgeschrieben. Hier, nimm.« Zerstreut, fast teilnahmslos, reichte sie ihm ihre säuberlich erledigte Hausaufgabe, wie um sich einer Last zu entledigen.
    »Dolores, was ist los?«
    »Mir geht’s nicht schlecht«, nahm sie weitere Fragen vorweg und schaute ihn mit resigniertem Blick an, ohne den Grund dafür zu nennen.
    »Das nehme ich dir nicht ab. Du weißt, dass ich sonst nicht weiter nachbohre, aber ich habe das Gefühl, du stehst irgendwie unter Druck. Und das tut mir leid.«
    Sie schwieg. Dann blickte sie ihn erneut an: »Ich spüre eine eigenartige Regungslosigkeit in mir. Als wenn sich ein Gewitter zusammenbraut, das sich dann aber nicht entlädt. Und nichts Gutes mit sich bringt. Zumindest für mich.«
    »Du hast zu viel abgenommen, wenn ich das sagen darf.«
    »Hast du doch gerade eben.«
    »Ich lade dich zum Mittagessen ein, hast du Lust?«
    »Danke. Ich weiß deine Anteilnahme zu schätzen, aber ich habe schon eine Verabredung. Ein anderes Mal vielleicht.« Sie erwiderte sein Lächeln. Sie waren sich nie besonders nahegestanden. Und genau deswegen konnte sie sich auch wirklich frei fühlen. Niemand im Präsidium genoss ihr volles Vertrauen, seit ihr einziger Freund, der Polizist Mauro Marra, nach Piacenza umgezogen war, um einer neuen Liebe zu folgen, die zu halten schien. Niemand wusste etwas über sie, über ihre Vergangenheit als Psychologin, über ihre Familie, ihre Beziehungen. Nicht einmal der zurückhaltende Funi, ihre rechte Hand, der zu diskret war, um nachzufragen, und – zumindest dem Anschein nach – zu unerfahren, um die Zwischentöne herauszuhören.

23
    Es gab eine Zeit, in der Maria Dolores Vergani noch an die Menschheit glaubte. Eine Zeit, in der sie davon überzeugt war, dass Männer und Frauen gut seien. Paradiesische Vorstellungen, in denen sie sich wiegte, bis sie zu einer jungen Frau heranreifte und zum ersten Mal erkennen musste, dass nichts, oder fast nichts, war, wie es schien. Das war Ende der 70er Jahre. Der Beginn der so genannten »bleiernen Jahre«. Sie besuchte ein naturwissenschaftliches Gymnasium in der Mailänder Peripherie. Lieblingsfach: Italienisch. Gute Schulnoten, doch in zwischenmenschlichen Beziehungen eine absolute Niete. Zu schüchtern und unsicher, um es einfach darauf ankommen zu lassen. Sie spielte Tennis und Klavier, wie es sich gehörte für ein Mädchen aus gutem Hause. Und während das Leben dahinfloss, lernte sie,

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