Ich vergebe dir - Bucciarelli, E: Ich vergebe dir - Io ti perdono
Welt-in-Einklang-Bringer bereits gekostet haben? Glaub mir, der wartet gemütlich in seiner Hängematte ab, hat es ohnehin nicht sonderlich eilig. Er hat schon begriffen, wie du tickst. Er legt sich im Hinterhalt auf die Lauer, hält dich an der langen Leine, übt sich in Geduld … Zu Hause wartet sowieso jemand auf ihn. Das sind die Schlimmsten, glaub mir.«
47
»Don Paolo hatte mich noch gebeten, zu ihm zu kommen. Ich kenne ihn schon seit meiner Kindheit.«
»Weshalb?« Pietro Corsari übernahm diesmal die Rolle des Fragenden.
»Etwas hat ihn daran gehindert, es mir zu sagen. Es schien, als wäre er immer kurz davor gewesen, aber letztendlich hat er sich dann nie geöffnet.«
Funi stand unerwartet in der Tür. Maria Dolores gab ihm ein Zeichen einzutreten, dann fuhr sie fort: »Er verhielt sich sonderbar, aber soweit ich mich erinnere, war er schon immer ein zurückhaltender, scheuer Mensch gewesen. Und niemand weiß Genaueres darüber, warum er ausgerechnet in diesem Bergdorf gelandet ist.«
»Woher kam er denn?«, fragte Corsari.
»Aus einem Dorf am Ligurischen Meer. Fast an der Grenze zur Toskana. Aber, ich sag’s dir noch mal, niemand kennt den Grund für seine Versetzung.«
»Und jetzt würdest du es gerne herausfinden«, las Corsari ihre Gedanken.
»Wir werden nicht darum kommen, nehme ich an.« Maria Dolores fuhr mit der Hand in ihre Tasche.
»Erzähl weiter«, forderte sie ihr Kollege auf.
»Nie, auch nur der kleinste Hinweis, außer in unserem letzten Telefonat.« Sie zog die Packung Zigaretten hervor, schaute sie an und legte sie dann auf den Schreibtisch.
»Seit wann rauchst du denn?«, fragte Corsari unter dem beobachtenden Blick von Funi.
»Seit einer Weile schon nicht mehr«, antwortete sie. Ein weiterer Kommentar blieb aus, und Hauptkommissarin Vergani fuhr in ihrem Bericht fort.
»Er meinte, ein gläubiges Gemeindemitglied – wie er es nannte – käme relativ oft zu ihm zur Beichte und bekenne sich immer zu derselben Sünde.« In der allgemeinen Stille hörte man als einziges Geräusch die Zigarettenschachtel, mit der Maria Dolores auf den Schreibtisch klopfte.
»Und die wäre?«
»Das Vergehen an Kindern. Ein Pädophiler. Er entführt sie und lässt sie einige Zeit später wieder frei. Kleine Kinder. Unter drei Jahren. Sie können nicht viel verraten. Und das macht er schon seit Jahren so, seit vielen Jahren. Don Paolo hat immer das Beichtgeheimnis gewahrt.« Sie öffnete die Zigarettenschachtel. »Statt darüber zu sprechen, versammelte er in seinem Pfarrhaus die Eltern der misshandelten Kinder, um ihnen stillschweigend Beistand zu leisten und unterstützte sie in ihrem wahnwitzigen Vorhaben, gegen die Person, die den Kindern das alles antat, keine Anzeige zu erstatten. Und diese Eltern haben inzwischen eine solche Wut in sich angestaut, dass sie sich nun eigenständig organisieren, um selbst für Gerechtigkeit zu sorgen.«
»Schließlich konnte er diese Fassade jedoch nicht länger aufrechterhalten und hat sich dir anvertraut«, ergänzte Corsari.
»Und nachdem er das getan hatte, hielt er es nicht länger aus und brachte sich um«, schlussfolgerte Funi.
»Ist es wirklich so gewesen?«, Maria Dolores blickte Corsari fragend an.
Statt zu antworten, setzte er sich, schwieg lange und meinte schließlich: »Und du, Maria Dolores, was denkst du?«
»Ich habe keine Ahnung«, erwiderte sie, während sie eine Zigarette aus der Packung nahm und zwischen Zeige-, Mittel- und Ringfinger hin- und herdrehte, wie sie es als Zwanzigjährige immer getan hatte. Und während sie noch grübelte, zerbrach sie sie versehentlich in zwei Hälften. »Ihn hat es große Überwindung gekostet, mir davon zu erzählen. Mehrere Anläufe hat es gebraucht. Er hat mich sogar dazu gedrängt, meine offizielle Zulassung als Psychologin neu zu beantragen, um sich dann bei mir als Patient behandeln lassen zu können. So hätte auch ich der Schweigepflicht unterlegen. Aber er hat mir nicht ausreichend Zeit dazu gelassen. Stattdessen dann dieses Telefonat. Warum?« Maria Dolores zerbröselte die kaputte Zigarette im Aschenbecher.
»Willst du damit sagen, dass ihn jemand gezwungen hat, sich umzubringen?«
»Nein. Ich sage gar nichts.« Maria Dolores war mit ihren Gedanken schon längst woanders. »Ich werde einen Antrag stellen, um mich an den Ermittlungen beteiligen zu können, nachdem ich von Fakten weiß, die mit dem Fall zusammenhängen. Ich hoffe, die Kollegen geben ihr Einverständnis.«
»Ein Versuch
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