Ich vergebe dir - Bucciarelli, E: Ich vergebe dir - Io ti perdono
schadet nie, aber erhoffe dir nicht allzu viel. Deine Situation ist noch immer sehr heikel.«
»Wem sagst du das …« Und sie legte ein weiteres Mal die Zigaretten unangetastet beiseite.
48
Luca Righi: »Wie geht’s?«
Maria Dolores Vergani: »Mir geht viel im Kopf rum.«
Luca Righi: »Arbeit?«
Maria Dolores Vergani: »Ja.«
Luca Righi: »Kann ich etwas für dich tun?«
Maria Dolores Vergani: »Danke, aber das sind Entscheidungen, die keine Hilfe benötigen und nicht einmal von mir abhängen.«
Luca Righi: »Können wir uns sehen?«
Maria Dolores Vergani: »Ich glaube, das ist keine gute Idee.«
Luca Righi: »Wieso sagst du das immer?«
Maria Dolores Vergani: »Das weißt du genau. Wir haben keinen Grund, uns zu sehen.«
Luca Righi: »Meiner Meinung nach schon.«
Maria Dolores Vergani: »Nenn mir nur einen.«
Luca Righi: »Wir haben uns viel zu sagen, ähnliche Interessen.«
Maria Dolores Vergani: »Das sind nur Vorwände.«
Luca Righi: »Aus denen echte Gründe entstehen können.«
Maria Dolores Vergani: »Ein anderes Mal vielleicht.«
Luca Righi: »Okay, ich mache alles, was du willst.«
Maria Dolores Vergani: »Weißt du eigentlich, dass man an gebrochenem Herzen sterben kann?«
Luca Righi: »Ja, ich habe davon gehört. Denkst du an diese Frau?«
Maria Dolores Vergani: »Ein Schmerz, der in der Lage ist, dein Herz zu zerstören und die Herzkammer zu verformen. Ein quälender Gedanke, findest du nicht?«
Luca Righi: »Soweit ich weiß, gibt es eine Ursache für den Schmerz.«
Maria Dolores Vergani: »Ja. Aber ein absoluter Schmerz existiert nicht. Er ist immer relativ.«
Die Leidensschwelle war bei jedem unterschiedlich. Gewiss, die Gewohnheit härtet ab. Grausamkeit, Bösartigkeit, Sadismus, Hörigkeit. Wie viele unterschiedliche Formen der Nötigung gab es wohl, die den Körper eines Menschen zum Brechen bringen konnten? Und jede dieser Formen musste mit dem Widerstand des Einzelnen rechnen. Nicht allen gelang es, die gleichen Abwehrmechanismen zu schaffen. Nicht alle waren im gleichen Maße für den Schmerz empfänglich. Und nicht alle waren im gleichen Maße dem Leiden ausgesetzt.
Maria Dolores hatte sich bereits eine dicke Haut zugelegt. Durch ihren Beruf als Therapeutin und den für sie bereits gewohnten Umgang mit düsteren Dämonen. Eine stählerne Glocke, die sie immer mit sich herumtrug, wie eine Schildkröte ihren Panzer oder ein mittelalterlicher Ritter seine Rüstung. Doch es bestand immer die Gefahr, dass Wasser, Sand oder Luft durch winzige Risse ins Innere drangen, sich langsam tief hineinbohrten und zersetzende und zerstörende Kräfte ausübten. Davor hatte sie Angst.
49
Michele Conti parkte sein Motorrad zwischen einem Audi Kombi in metallic Grau und einem schwarzen Porsche. Maria Dolores stieg ab und zog sich den Helm vom Kopf. Er folgte ihrem Beispiel und bockte anschließend seine BMW auf.
Ein dunkelhäutiger Junge mit blütenweißem Hemd, die klassische Ikone eines imaginären Sklaventreibers, kam auf sie zu und fragte: »Haben Sie reserviert?«
»Ja, danke«, antwortete sie, während Michele schwieg, sich mit der Hand durch die Haare fuhr und die Lederjacke aufknöpfte. Sie betraten den Eingangsbereich. Maria Dolores, bereits einen Schritt voraus, drehte sich nach ihrem Begleiter um und erklärte: »Wir setzen uns erst, dann kommt der Pflichtteil.«
Er nickte und schaute sich um. Ein runder Tisch mit drei Männern um die fünfzig und ebenso vielen, eindeutig jüngeren Frauen. Während er an ihnen vorbeiging, blickten sie ihn an, lächelten. Doch er sah schon längst wieder woanders hin, zu einer der drei Glastüren, die den Saal einrahmten, und einem langen Tisch mit ausschließlich männlichen Gästen. Lautstarkes Gelächter. An dem einen Tischende saß ein junger Priester. Ein zweiter, etwas älterer, ihm gegenüber.
Dann ein kleiner Tisch mit zwei jungen Frauen, die eine blond, die andere dunkelhaarig. Beide mit ungewöhnlich langem Haar. Beide elegant. Sie unterhielten sich lebhaft.
Maria Dolores setzte sich zuerst, Michele Conti folgte ihrem Beispiel. Helme auf den Boden, Tasche über den Stuhl, Handys auf den Tisch. Zwei von ihm, eins von ihr.
»Erwartest du einen Anruf?«, fragte sie.
»Ja. Der Einsatz für morgen wird womöglich vorverlegt. Aber das ist eher unwahrscheinlich. Ich bleibe heute Nacht bei dir, ist das in Ordnung?« Sie nickte, nicht ganz bei der Sache. »Wo ist denn eigentlich die Bühne? Hier sieht alles ganz anders aus als
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