Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich vergebe dir - Bucciarelli, E: Ich vergebe dir - Io ti perdono

Ich vergebe dir - Bucciarelli, E: Ich vergebe dir - Io ti perdono

Titel: Ich vergebe dir - Bucciarelli, E: Ich vergebe dir - Io ti perdono Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabetta Bucciarelli
Vom Netzwerk:
Kommissarin das Foto.
    »Schaut gar nicht so schlecht aus«, bemerkte Maria Dolores.
    »Dann sind da noch diese zwei, einmal fünfundzwanzig und einmal sechsundzwanzig Jahre.« Nichts Besonderes. »Und die Jüngsten sind fünfzehn, höchstens sechzehn Jahre«, schloss Corsari und reichte ihr die Fahndungsfotos der Reihe nach.
    »Sie wirken sogar noch jünger. Niedlich.« Alle sieben Fotos lagen nun nebeneinander vor ihr auf dem Schreibtisch. Ein weiblicher Stammbaum. »Und die männlichen Herrschaften? Bekommen wir deren Gesichter auch mal zu sehen?«
    »Nein. Keine Fotos. In den Protokollen befinden sich allerdings ihre gesamten Daten. Der Chef von dem Ganzen war zwanzig Jahre älter als seine Frau, die anderen alle so um die vierzig. Alle Italiener.«
    »Wer weiß, wo sie sich jetzt aufhalten«, sie griff nach dem Foto der Jüngsten. »Diese hier könnte jetzt so um die fünfundvierzig sein.«
    »Oben in der Via Feltre gibt es zwei Geschäfte, die noch aus uralten Zeiten stammen«, erklärte Corsari. »Du weißt schon, solche, in denen sich das ganze Zeug, von Süßigkeiten bis Waschmittel, alles durcheinander bis zur Decke türmt, und die schon längst auf der schwarzen Liste des Gesundheitsamtes stehen. Also, in einem solchen Laden arbeitet ein alter achtzigjähriger Mailänder, der sich noch an die Frauen erinnert.«
    »Und was sagt der?«, fragte Maria Dolores.
    »Er war sturzbetrunken. Ich habe ihn für morgen aufs Präsidium bestellt. Keine Ahnung, ob wir aus ihm etwas herausbekommen, so weggetreten, wie der schien.«

51
    Da begann die Glocke
absolut keinen Festtag einzuläuten. Maria Dolores paraphrasierte das berühmte Gedicht von Leopardi, um so ihre Angst unter Kontrolle zu bringen. Und Angst hatte sie im Augenblick mehr, als ihr lieb war. Je mehr ihr eine Situation aus den Händen zu gleiten drohte, desto deutlicher kam ihre teuflische Abhängigkeit zum Vorschein. Genau das wusste sie. Sie nahm keine Drogen. Sie trank nicht. War fast schon Antialkoholikerin. Und jetzt zwang sie sich auch noch, Nichtraucherin zu bleiben. Doch die eigentliche Bestie, die sich an ihre Fersen heftete und sie nicht mehr los ließ, waren ihre Emotionen. Jetzt galt es, ihre Gefühle auf Distanz zu halten, zu unterdrücken, zu beherrschen. Ein unfaires Spiel, denn es setzte die defensive Haltung der anderen Mitspieler voraus. Immer schön auf Abwehr gehen. Nie den Beobachtungsposten aufgeben. Den nächsten Zug planen, wie das Pferd auf dem Schachbrett, und aufpassen, nicht rausgeworfen zu werden. Ständig darauf eingestellt sein, sich rechtzeitig freizuspielen.
    Doch auf die Dauer erschlaffen die Muskeln. Der Schlaf übermannt dich. Leise schleicht sich der verführerische Wunsch ein loszulassen. Maria Dolores wollte sich endlich fallenlassen und ihren Schwächen entsagen können. Doch wie bei allen, die nie wirklich bis in den hintersten Winkel der Existenz vorgedrungen waren, hatte auch sie es nie gelernt, bestimmte Fähigkeiten richtig auszubilden.
    So sehr Maria Dolores es verstand, sich in andere hineinzuversetzen, sie zu unterstützen und ihnen ihre Fehler vor Augen zu führen, so wenig war sie imstande, sich ihnen zu nähern, ohne jemals ihre Distanz einer Therapeutin aufzugeben. Und in privaten Herzensangelegenheiten war es ihr noch nie gelungen, das wichtigste aller Organe einzusetzen, das sich nicht zwischen den Beinen befand, sondern in ihrer Brust. Sie errichtete Schranken, baute Labyrinthe und erfand Hindernisse.
    Nun, da sie den Gipfel der vierzig fast erklommen hatte, überkam sie das Gefühl, mit dem Feuer zu spielen; vielleicht weil sie glaubte, sich selbst noch etwas zu schulden, oder ungewollt, aus Resignation. Und gleich an mehreren Fronten. Immer mit dem gleichen Ergebnis. Aufrappeln. Erneute Niederlage. Sie war stark. Ja, das war sie. Aber im Verzicht. Nicht im Leben. Hier konnte sie sich ganz leicht verlieren.

52
    Es wäre keine Überraschung gewesen, wenn die gesamte Truppe der Guardia di Finanzabei den Feierlichkeiten mit Abwesenheit geglänzt hätte. Verfechter der Worte und Verfechter der Taten haben nicht selten untereinander Kommunikationsprobleme. Und in diesem Fall war die Kluft eindeutig. Im Zentrum Aufmärsche und Paraden, applaudierende Menschen und Journalisten ganz vorne in der ersten Reihe. Am Rand jene, die agierten. Männer der Tat. Das technische Personal war fast vollzählig. Die Einheit der Hundeführer auch. Erwachsene Menschen, von unterschiedlichstem Äußeren. Für gewöhnlich

Weitere Kostenlose Bücher