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Ich vergebe dir - Bucciarelli, E: Ich vergebe dir - Io ti perdono

Ich vergebe dir - Bucciarelli, E: Ich vergebe dir - Io ti perdono

Titel: Ich vergebe dir - Bucciarelli, E: Ich vergebe dir - Io ti perdono Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabetta Bucciarelli
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Ihm gefielen kleine Jungen.«
    Vielleicht sollte sie es dabei lieber belassen. Oder doch nachhaken? Sie blickte die vier Männer an und stellte sich vor, wie sie früher waren. Als Familienväter, als sie noch mitten im Leben standen.
    »Nicht die Frauen gefielen ihm – sondern Männer!«, rief einer mit abgrundtiefer Verachtung.
    »Gerede, das nicht aufhören wollte. Jemand hatte ihn gesehen, wie er mit einem Jungen aus dem Dorf rummachte, einem armen Kerl, der von Geburt an behindert war.« Der Wortführer der Gruppe ergriff erneut das Wort. »Und dann hat das ganze Dorf einen Brief an den Bischof geschrieben.«
    »Der dann wichtige Priester hierhergeschickt hat, die sich umhören sollten. Und schließlich haben sie ihn fortgeschickt«, fuhr ein anderer fort.
    »Aber hatten sie denn Beweise dafür?«, wandte Maria Dolores ein.
    »Beweise, Beweise. Wozu sollen die gut sein? Wenn über einen Priester so geredet wird, dann geht niemand mehr in seinen Gottesdienst. Und wer schickt ihm dann noch seine eigenen Kinder zur Beichte?«
    »Außerdem haben sie ihm nicht mal verboten, als Priester weiterzuarbeiten. Sie haben ihn einfach woandershin versetzt«, mischte sich ein anderer ein.
    »Man sieht ja, wozu das letztendlich geführt hat. Solche Leute sind nie geheilt. Im Gegenteil, sie werden immer schlimmer mit dem Alter. Wissen Sie?«
    Ja, sie wusste das. Hier und da konnte man vielleicht noch etwas hinbiegen, aber der Makel der Vergangenheit blieb doch immer an einem haften. Wie das Attribut »Ex« vor Mann, Frau, Verlobter, Freund. Alkoholiker, Raucher, Junkie. »Damals noch« ernsthaft, glücklich, optimistisch, zufrieden. Authentisch waren nur die Spuren: die Runzeln, Narben, Falten, Wunden. An Knochen, Zähnen, Herz.
    Der Tag war nicht besonders kostspielig gewesen. Fünfzig Euro und ein bisschen Kleingeld für Funis verlorenes Kartenspiel. Fünfzig Euro und eine Last auf der Brust. Nun kauerte Funi schnarchend neben ihr auf dem Beifahrersitz. Ein Mann, der mit offenem Mund schnarchte, war nie ein schöner Anblick, und selbst wenn es nicht gerade selten vorkam, so blieb es dennoch ungewohnt. In diesem Moment jedoch wünschte sich Maria Dolores nichts sehnlicher, als dass ihr Kollege schlief. Tief und fest.
    Die Abenddämmerung betrachtend, schaltete Maria Dolores, bevor sie auf die Autobahn fuhr, die Freisprechanlage ein und wählte eine Nummer.

70
    »Du russische Nutte, du. Kehr gefälligst dorthin zurück, von wo du herkommst.« Die Frau mit den zerzausten Haaren war noch immer schön. Sie war auch jung, aber keine Nutte. Zumindest nicht eine von jenen, die es laut hinausposaunte. Sie hatte einfach nur etwas Grundlegendes verstanden. Nämlich, dass der italienische Mann (von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen) in gewisser Hinsicht als ein Wesen betrachtet werden konnte, das sich in einem anhaltenden, verfrühten, psychologischen Klimakterium befand und einen ganz bestimmten Schwachpunkt besaß, sobald er auf die fünfzig zusteuerte.
    »Entweder lege ich mir ein Motorrad zu oder eine Geliebte«, hatte erst neulich ein Gast in einer Fernsehshow lauthals verkündet. Spiegel der Welt und Abgrund seiner selbst.
    Maria Dolores war es nicht gewohnt, in Nachtlokalen zu verkehren. Sie hatte zwar eine ganze Menge dieser Lokalitäten bereits von innen gesehen, aber ausschließlich zu beruflichen Zwecken. An diesem Abend hatte sie Corsari jedoch auf einen Streifzug mitgenommen, zu dem auch die Bezeichnungen Lap-Tour, Tabledance-Tour, Tanga-Tour passen könnte, oder einfach: die altbewährte Nutten-Tour.
    »Wir schreiben das 21. Jahrhundert und sind noch immer nicht weiter?«, rutschte es ihr heraus, als sie den Parkplatz einer Diskothek für Pseudo-Teenager überquerten. »Schau dir das an«, und zeigte auf den Fuhrpark, der sich aus Porsche, BMW , Subaru, Audi und dem Landrover eines armen Schluckers zusammensetzte.
    »Hier versammelt sich die ganze Stadt. Das müsstest du eigentlich wissen. Inzwischen geht niemand mehr in die Mailänder Lokale, oder sagen wir so: nur noch korrupte und zwielichtige Gestalten der Fernsehbranche, die alles andere als die Crème de la Crème der einstigen gehobenen Mittelschicht sind.«
    Peripherie und Hinterland. Ein teilweise unerforschtes Terrain, das der urbanen High Society zukunftsweisende Möglichkeiten bot. Eine Entwicklung, die sich leicht nachvollziehen ließ. Wieso sollten die Neureichen, die nach und nach die Randgebiete des überbordenden Mailands bevölkerten, abends im

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