Ich vergebe dir - Bucciarelli, E: Ich vergebe dir - Io ti perdono
Informanten, und es gibt auch keine Person, die auf die Beschreibung passen würde. Dann habe ich mir noch die Carabinieri vorgenommen – mit dem gleichen Ergebnis. Und als Letztes habe ich mir dann noch die Guardia di Finanza vorgeknöpft. Zwei von denen sind ständig im Krankenstand. Der eine leidet tatsächlich an etwas Schwerem, von dem anderen weiß man nichts Genaueres.«
»Guardia di Finanza hast du gesagt?«
»Ja. Ich habe Righi um Unterstützung gebeten. Er hat sich bereits der Sache angenommen. Hat er dir nichts davon erzählt?«
»Mir? Wieso sollte er, wir haben keinerlei Kontakt.« Bereits zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit log sie. Inzwischen fiel es ihr schon richtig leicht, war es ihr fast zur Gewohnheit geworden. Gewisse Lügen kamen einem wie von selbst über die Lippen. Nichtigkeiten , wiederholte sie sich, um ihr schlechtes Gewissen, das sich vorsichtig bemerkbar machte, im Zaum zu halten.
»Ich dachte, ihr seid Freunde«, bemerkte Corsari, der die Situation klar umrissen hatte, aber keine Lust verspürte, seine Kollegin bloßzustellen.
»Freunde ja, aber nicht so wirklich.« In der Tat konnte man die beiden nicht wirklich Freunde nennen. Eher mehr als das. Oder was ganz anderes. Jeder von ihnen hatte dazu seine eigene Sichtweise.
»Wie auch immer«, kehrte Pietro Corsari zum eigentlichen Thema zurück, »der Typ jedenfalls besorgt ihnen eine Aufenthaltsgenehmigung, sorgt dafür, dass sie drei Monate bleiben können, und danach kehren sie wieder zurück in ihre Heimat. Und dann geht dasselbe wieder von vorne los. Eine Hand wäscht die andere. Dazu wenig Risiko und üppiger Gewinn.«
»Wo stellt er denn den Visumsantrag?«
»Immer in unterschiedlichen Städten, um nicht aufzufallen. Außerdem nutzt er seine Stellung dazu, die Bearbeitung der Anträge zu beschleunigen. Das Interessanteste dabei sind jedoch die angemieteten Wohnungen. Sie verteilen sich praktisch über die gesamte padanische Tiefebene.«
»Was fehlt dann eigentlich noch, um den Fall endgültig abzuschließen?« Das ganze Thema um Prostitution war ihr im Grunde völlig einerlei. Ihre Gedanken beschäftigten sich mit einem toten Hund, einem erhängten Priester, zu vielen Kindern und einem Unbekannten, der eine Mutter auf dem Gewissen hatte und dafür zahlen musste.
»Wir kennen die Nachtlokale und einige Namen, die in der Sache mit drinhängen. Jetzt müssen wir nur noch herausfinden, wer die Komplizen sind und wie die Bezahlung vonstattengeht«, erläuterte Corsari weiter. »Hörst du mir eigentlich zu?«, fragte er dann direkt an sie gewandt.
»Pietro, ich brauche auch deine Hilfe, aber nicht jetzt.« Es kostete sie viel, sich zu dieser Bitte durchzuringen.
»Wann immer du willst, Maria Dolores. Wann immer du willst.«
86
Ihr Ausraster gegenüber Michele ließ sie nicht in Ruhe. Sie musste immer wieder daran denken. Und ihr Geburtstag rückte immer näher. Ob sie tatsächlich am 18. Oktober 1965 geboren war?
Dann streiften ihre Gedanken zu den Toten. Das Blut des Hundes war klar wie Wasser. Rein gar nichts, was eine Tötung rechtfertigen würde. Der Tierarzt des Tales hatte in seinem Bericht »einen gewaltsamen Tod ohne erkennbares Motiv« vermerkt. Vielleicht ein Jagdgewehr, der fehlgeleitete Schuss eines Wilderers? Ein Hund anstelle eines Rehs oder eines Fuchses oder einer Gämse? Aber warum hatte er ihn vergraben? Solche Mischlinge wurden von Schäfern zum Hüten ihrer Schafherde benutzt. Maria Dolores kannte sich mit Hunden aus. Dieser hier war ganz gewiss nicht reinrassig. Dafür war er zu klein. Hatte zu lange Ohren. An den Hinterläufen besaß er eine doppelte Wolfskralle. Sechs Zehen. Sie hatte solche Hunde des Öfteren durch das Dorf streunen sehen. Zusammen mit den französischen Schäferhunden, die im Mittelalter die Alpen überquert hatten, vermutlich auf der Suche nach Nahrung. Und schließlich hiergeblieben waren, in dieser rauen Gegend, wo das ewige Eis herrschte.
Die Carabinieri von Aosta hatten den Fall bereits ad acta gelegt. Der pädophile Priester, nichts weiter als einer von vielen. Maria Dolores trug schon ihre Daunenjacke, der Winter hatte frühzeitig Einzug gehalten. Während sich Mailand im Herbst noch einmal durch den glühenden Beton aufheizte, herrschte hier im Wald bereits eine feuchte und tropfende Kälte. Funi war dieses Mal nicht dabei. Er lag mit 39 Grad Fieber im Bett und war ohne Stimme.
Sie hatte beschlossen, den Waldabschnitt auf der anderen Seite der Straße zu
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