Ich vergebe dir - Bucciarelli, E: Ich vergebe dir - Io ti perdono
mangelnder Qualität ihrer Dienstleistung, als vielmehr auf Grund der Einfalt des lüsternen männlichen Geschlechts. Das sie nach Strich und Faden an der Nase herum geführt hatten.
Am Abend dann machten sich die Torvai-Nutten mit Genuss über sie lustig. »Ob Fotze oder Hand, dem Italiener bleibt es unerkannt.« Wenn das nur das einzige Problem der italienischen Männer wäre!
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»Wer um alles in der Welt hat das Mädchen in dieser Werkshalle verbuddelt?«, versuchte Pietro Corsari mit der verletzten Maria Dolores ins Gespräch zu kommen, die alles andere als glücklich darüber war, sich im Polizeipräsidium wiederzufinden. Keine Antwort.
»Vergani? Alles okay bei dir?«
»Ja, allerdings hätte ich wirklich Besseres zu tun, als hier rumzusitzen. Irgendein Straftäter treibt sich in den Wäldern des Aostatals herum und schafft möglicherweise weiteres Unheil. Ich muss ihn stoppen.«
»Du? Was hast du denn damit zu tun? Jetzt mach mal halblang. Du bist weder allmächtig, noch ist es angebracht, sich in die Untersuchungen anderer einzumischen.«
Mal halblang machen? Das war zu viel für Maria Dolores: »Komm, Corsari, zieh Leine. Das ist jetzt wirklich nicht der Moment.« Und forderte ihn mit einer Handbewegung unmissverständlich auf, ihr Büro zu verlassen.
Wutentbrannt zog Corsari ab, nicht ohne sich noch einmal umzudrehen und ihr klar und deutlich seine Meinung zu verstehen zu geben: »Hör mal, es gibt da einen Fall, den wir zu Ende bringen müssen. Wenn du aussteigen willst, dann musst du es nur sagen. Ich kann auch alleine weitermachen – was ich sowieso schon die ganze Zeit tue.« Er holte einmal tief Luft, bevor er fortfuhr: »Und lass es endlich sein, dich ständig in Sachen einzumischen, die dich nichts angehen. Sonst gebe ich das mal an oberster Stelle weiter, verstanden? Ich sag’s dir nur zu deinem Besten.«
»Komm, zisch ab, Corsari. Und bleib mir vom Hals.«
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Das Gerechtigkeitsgefühl schert sich nicht um ein korrektes Verhalten. Ein tödlicher Messerstich, während du versuchst, zwei Streitende auseinanderzubringen. Was hattest du auch mit diesen beiden zu schaffen? Der reine Instinkt allein führt einen zur Wahrheit.
Es gibt Menschen, die hangeln sich von Lüge zu Lüge, als wäre es das Natürlichste der Welt. Notlügen. Die niemandem schaden, wie sie versichern. Das Wahre verheimlichen, übergehen, verstecken. Schlängeln sich so durchs Leben. Für die anderen: Für die Frau, der sie das Jawort gegeben haben. Für den Partner, dem sie ewige Treue geschworen haben. Für die Mutter, die Tausend Tränen vergießt. Für den Vater, der als Vorbild galt. Den Weg der Lüge kann nur derjenige einschlagen, der ein gut trainiertes Gewissen und einen stolzen, sicheren und aufrechten Blick besitzt. Solche Menschen haben immer passende Worte parat und predigen Reinheit und Strenge. Doch im Inneren ihres Herzens lagerte sich der ganze Teer des Unsinns ab, den sie unentwegt als Wahrheit ausgaben. Echte Abhängige einer Parallelwelt. Sie gaukelten sich etwas vor und zogen ihren Mitmenschen in ihre Welt mit hinein. Solange sie es schafften, den Gegenbeweis weit von sich zu schieben.
Maria Dolores war sich unschlüssig. Sollte sie sich dafür einsetzen, die Würde eines Mannes zu retten, auf die Gefahr hin, ihre eigene zu verlieren?
Sie wusste, dass hinter dem Versuch, die Wahrheit zu rekonstruieren, die Abrechnung mit ihrem eigenen Unvermögen zur Vergebung stand. Gegenüber sich selbst. Ihrem Hochmut. Ihrer Mutter, die sie verstoßen hatte. Ihren Eltern, die nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt hatten. Und gleichzeitig spürte sie auch den Wunsch, das alles endlich hinter sich zu lassen. Nicht immer unbesiegbar und frei von Sünden sein zu wollen. Teil der schwachen und fehlbaren Menschheit zu sein. Sich zerbrechlich zu zeigen. Und zusammenzubrechen.
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Als Erstes musste sie irgendwie an ihr Auto rankommen. Sie wählte eine Nummer.
Luca Righi: »Hallo, die Leitung war plötzlich unterbrochen, und dann habe ich dich nicht mehr erreicht.«
»Ich erzähle dir später alles. Kann ich dich um einen Gefallen bitten?«
»Sicher.«
»Hast du morgen Abend Zeit? Sagen wir, zwischen fünf und neun?«
»Ich werde es einrichten. Warum?«
»Du müsstest mit mir ins Ayas-Tal fahren. Ich muss dort mein Auto abholen. Auf der Fahrt erzähle ich dir dann alles.«
»Ich träume schon lange davon, etwas für dich tun zu können. Du befiehlst, und ich gehorche. Ich würde alles für dich tun.«
»Ich
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