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Ich war ein Glückskind - mein Weg aus Nazideutschland mit dem Kindertransport

Ich war ein Glückskind - mein Weg aus Nazideutschland mit dem Kindertransport

Titel: Ich war ein Glückskind - mein Weg aus Nazideutschland mit dem Kindertransport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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nicht mehr an die vielen schönen Dinge zu denken, die ich verloren habe, genau wie Du es mir gesagt hast, Mama.
    Danach ist Lottes Mutter mit uns ins Kino gegangen, das hat mich abgelenkt. Wir haben uns einen Mickey-Mouse-Film angesehen. Er war sehr schön.
    Wie traurig, dass Du und Papa in Berlin nicht mehr ins Kino gehen dürft, weil es für Juden verboten ist.
    Aber bald werdet Ihr ja bei mir in England sein, dann können wir drei so oft ins Kino gehen, wie wir wollen!
    Ich schreibe dies im Zug auf der Heimfahrt von London (Phyllis sitzt neben mir und schläft tief und fest). Ich werfe den Brief gleich nachher im Bahnhof ein, damit Ihr ihn ganz schnell bekommt.
    Ich vermisse Euch so sehr!
    Eure Euch liebende Marion

9
    DER SCHRANKKOFFER
    Juli und August 1939
    Als ich nach dem Tag in London wieder »nach Hause« kam und das Wohnzimmer betrat, blickte Mrs Rix von ihrer Strickarbeit auf. Ihre braunen Augen blitzten vor Empörung, und ich fragte mich, was ich wohl verbrochen hatte.
    Erbost legte sie ihre Strickarbeit weg, erhob sich und machte einen großen Schritt auf mich zu.
    Einen Moment lang dachte ich, sie würde mich ohrfei-gen.
    »Da habe ich gedacht, ich würde einem armen Flüchtlingskind ein Obdach geben!«, fauchte sie. »Und wer kommt? Eine Prinzessin mit der Garderobe einer Königin!«
    Mein Schrankkoffer! Er musste angekommen sein.
    »Samtkleider mit Pelzbesatz und Spitzenkragen, bestickte Kleider, Seidenstrümpfe, elegante kalbslederne Handschuhe. Für eine Elfjährige!!! Für ein mittelloses Flüchtlingskind!« Mrs Rix war außer sich.
    »Aber mein Papa …«, stammelte ich.
    »Ich war eine Träumerin!«
    »Mein Papa hat mir bei Wertheimer all diese Sachen nähen lassen, damit ich Ihnen nicht zur Last falle«, versuchte ich mich zu verteidigen, mit hochrotem Gesicht, hin und her gerissen zwischen Scham und Empörung.
    »Das wirst du auch nicht, Miss Marion!«, schnaubte Mrs Rix. »Geh in dein Zimmer!«
    Ich drehte mich um, verließ das Wohnzimmer und ging nach oben, in der Erwartung, meinen großen Koffer mit all den schönen Sachen darin vorzufinden.
    Doch er war nicht da.
    Ich ging wieder nach unten zu Mrs Rix, und sogar ihre Stricknadeln klapperten vor Entrüstung lauter als sonst.
    »In der Garage«, sagte sie ohne aufzublicken und fügte noch hinzu: »Ein mittelloses Flüchtlingskind, von wegen!« Wütend stach sie ihre Stricknadel in die Wolle.
    In diesem Moment begriff ich, dass mein Schutzengel, meine Wohltäterin, mich in Wirklichkeit gar nicht mochte.
    18. Juli 1939
    Mein liebster Papa, meine heiß geliebte Mama,
    vor zwei Tagen ist der Koffer mit meiner Garderobe angekommen. Traumhaft!
    Mrs Rix hat sich allerdings nicht gefreut, weil wir im Haus gar keinen Platz dafür haben.
    Natürlich habe ich alles sofort ausgepackt und mich sehr über die vielen schönen Sachen gefreut. Auch über das Armkettchen, die Tasche und die Haarbänder.
    Die Puppen haben sich sehr gefreut, mich wiederzusehen. Eine hat sogar gelacht und überrascht »Mama!« gerufen.
    Tausend, tausend Dank dafür!
    Eure euch liebende Tochter, Marion
    Als ich am Abend nach der Ankunft des Koffers zum Essen nach unten kam (Mrs Rix erwartete Gäste aus London), war sie bereits im Esszimmer, und ich fiel aus allen Wolken, als ich sah, dass sie den dunkelrot-weißen Faltenrock und das dazu passende Oberteil trug, die mein liebster, bester Papa in Berlin so liebevoll für mich ausgesucht hatte.
    Mir verschlug es vor Schock und Zorn die Sprache.
    Sie goss gerade einem der Gäste einen Pimm’s-Likör ein, und als sie mich erblickte, verkrampften sich ihre Finger einen Moment lang.
    »Marion, Phyllis hat dein Essen in der Küche stehen«, sagte sie nur.
    Ich drehte ihr den Rücken zu und ging ohne ein Wort hinaus.
    Ich war elf Jahre alt, viele Meilen weit weg von meinen Eltern, meinem Heim, meinen Freundinnen, meinem Heimat land, und ganz allein und ohne Freunde.
    Was hätte ich schon tun können?
    Von diesem Abend an verbannte mich Mrs Rix in die Küche und ich aß nur noch mit Phyllis am Küchentisch.
    Statt wie früher von dem eleganten Porzellan meiner Mutter zu essen, aß ich nun von dicken irdenen Tellern.
    Statt mit dem silbernen Besteck meiner Mutter aß ich mit zerkratztem Stahlbesteck, und statt dasselbe zu essen wie Mrs Rix und ihre beiden Kinder, durfte ich mir in der Küche mit Phyllis die Reste teilen.
    Und was ihre beiden Kinder betrifft, Billy und Elizabeth, auf die ich mich so gefreut hatte: Bevor sie aus ihrem

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