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Ich war Jack Falcone

Ich war Jack Falcone

Titel: Ich war Jack Falcone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joaquinn Garcia
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verdeckten Ermittler einsetzen wollte, musste ich in die Schule gehen und lernen, wie ich meine Rolle zu spielen hatte.
    In die Mafiaschule.
    Das FBI richtete eine solche Schule für mich ein.
    Beim FBI gibt es im Wesentlichen drei bürokratische Ebenen. Zuerst kommt der verdeckte Ermittler, der einen Fall tatsächlich bearbeitet. Über ihm steht der Handler oder Case Agent (Fall-Agent), der den Fall Tag für Tag leitet und regelmäßig Kontakt mit dem verdeckten Ermittler aufnimmt. Sein Vorgesetzter ist der Supervisor, ein leitender Verwaltungsbeamter in der Außenstelle oder in Washington. Er bestimmt, welche Fälle geöffnet oder geschlossen werden und alles Übrige.
    Im Fall Naked Truth war ich einem sehr erfahrenen Case Agent namens Nat Parisi unterstellt. Nat hatte sich während seiner ganzen Laufbahn mit dem organisierten Verbrechen und mit Drogenkriminalität befasst, sowohl in New York als auch in White Plains. Er stellte ein Ausbildungsprogramm zusammen, das einen verdeckten Ermittler, der fast hundert Einsätze hinter sich hatte, in einen Typ verwandeln sollte, der selbst vor den strengen Augen der stets misstrauischen Cosa Nostra bestehen konnte. Natürlich war das keine leichte Aufgabe. Seit »Donnie Brasco« – einem FBI-Agenten in der Rolle eines Gangsters – hatte die Mafia panische Angst vor einer Infiltration durch die Polizei. Wer in die Mafia aufgenommen werden wollte, wurde jetzt höchstwahrscheinlich ebenso gründlich überprüft wie ein Anwärter beim FBI. Wie konnte ein völlig fremder Mann die vorsich­tigen, im Gefängnis gestählten Kriminellen davon überzeugen, dass er vertrauenswürdig war? Vor dieser Herausforderung standen Agent Parisi und ich, als der Unterricht begann.
    Offen gesagt ist die Paranoia der Mafia in Bezug auf Spione beinahe komisch. Wer als Vollmitglied in den Bonanno-Clan aufgenommen werden wollte, musste sich vor dem Initiationsritus sogar nackt ausziehen. Pardon, aber wollt ihr einen Kerl, der bei seiner Initiation möglicherweise eine Wanze bei sich trägt, wirklich in die Cosa Nostra aufnehmen?
    Eine kluge Vorsichtsmaßnahme der Gangster bestand darin, dass sie ihre Einweihungsriten nicht mehr im Keller von Privathäusern abhielten, wie es jahrzehntelang Tradition gewesen war. Sie wussten, dass die Polizei Privatwohnungen abhören durfte. Jetzt fand die Zeremonie in Hotelzimmern statt, die sie für einen Tag mieteten. Sie vollzogen ihr Ritual, dann verschwanden sie. Aber was taten sie wirklich? Sah ihr Leben wie eine ­ Sopranos -Episode aus oder anders?
    Bei der Mafiaschule im FBI ging es also darum, eine Identität, einen Hintergrund zu schaffen und zu lernen, wie man sich als Mafioso benimmt, damit niemand ernsthaft an mir zweifelte oder mich verdächtigte, ein Spitzel zu sein. Die Entlarvung als FBI-Agent fürchtete ich im Grunde am ­wenigsten. Mafiosi töten nie FBI-Agenten – sie wollen keine Scherereien. Die eigentliche Gefahr war, dass sie mich für eine Ratte hielten, einen Ganoven, der die Seiten gewechselt hatte und sie für das FBI oder eine andere Justizbehörde ausspionierte. Dann würden sich mich sofort umbringen.
    Wenn die Kolumbianer eine Ratte aufspüren – einen Undercover-Polizisten oder einen Informanten –, verpassen sie ihm die »kolumbianische Krawatte«. Sie schlitzen ihm die Kehle auf und ziehen die Zunge durch die Wunde, zur Strafe dafür, dass er sie verpfiffen hat. Die Mafia verpasste ihm »zwei in den Hinterkopf« oder stopfte ihm Geld oder einen Kanarienvogel in den Mund. Die Leiche legte sie in den Kofferraum eines gestohlenen Autos, das auf einem Langzeitparkplatz am Flughafen stand.
    Mein Unterricht begann mit dem Aufbau einer neuen Identität. Ich konnte nicht einfach spontan ein »Märchen« oder einen »Stammbaum« erfinden, wie ich es bisher getan hatte. Ich brauchte eine wasserdichte Vorgeschichte, die sich überprüfen ließ; denn das würden sie fast mit Sicherheit tun. Wir begannen mit einem neuen Namen, und das bedeutete, dass wir meine ethnische Herkunft festlegen mussten. Es gab zwei Möglichkeiten: Entweder war ich ein waschechter Italiener, der während der Batista-Ära in Kuba aufgewachsen war, oder ich war halb Italiener und halb Kubaner. Wir wollten diese Entscheidung treffen, sobald ich mit der Situation in der Bronx vertraut war.
    Auch einen Namen musste ich mir aussuchen. Wir einigten uns auf Fal­ cone, den Namen eines mutigen sizilianischen Richters, den die Mafia zusam­ men mit seiner Frau und drei

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