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Ich war Jack Falcone

Ich war Jack Falcone

Titel: Ich war Jack Falcone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joaquinn Garcia
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ich tiefer in der Sache drin als meine Kollegen. Wenn ich wegen eines Fehlers in meinem erfundenen Lebenslauf aufflog, würden sie trotzdem am nächsten Tag aufstehen, Kaffee trinken und zur Arbeit gehen – während ich tot war. Darum machte ich mit meiner Frau Urlaub in Florida und besuchte Friedhöfe, bis ich Falcones fand, die zu der Zeit gestorben waren, als ich heranwuchs. Falls ein Mafioso zu mir sagte: »Machen wir doch einen Abstecher nach Florida, und du zeigst mir, wo deine Eltern begraben sind«, konnte ich antworten: »Kein Problem, fliegen wir hin.«
    Ich musste jede Einzelheit meiner Geschichte überprüfen.
    Nun hatte Jack Falcone also eine Bankauskunft, ein Strafregister und eine Familiengeschichte. Aber das Leben in der Mafia dreht sich nicht nur um die Vergangenheit, sondern auch um das Hier und Jetzt. Für Ganoven bedeutet das, in Bars und Restaurants herumzuhängen. Leute, die GoodFellas , Die Sopranos , Der Pate und ähnliche Filme gesehen haben, glauben wahrscheinlich, dass Mafiosi immer auf Trab sind und ständig Menschen erschießen und in Stücke hacken. Das dachte ich damals auch. Aber die Wirklichkeit ist anders. Ja, sie tun das alles; aber den größten Teil des Tages verbringen sie damit, zu essen und über künftige Coups zu reden.
    Wenn ich mit Gangstern essen wollte, musste ich über ihre Gewohnheiten Bescheid wissen. Also ging es bei meiner nächsten Lektion um Essen und Trinken. Mich muss man nicht zweimal zum Essen bitten; darum machte mir dieser Teil der Ausbildung besonderen Spaß. Mafiosi wissen genau, in welchem Restaurant sie welche Gerichte bekommen. Wer beispielsweise würzigen Hummer mag, geht zu F . illi Ponte am West Side Highway. Wer Frikadellen schätzt, besucht das Rao in East Harlem. Und wer gutes Kalbfleisch vorzieht, findet es bei Il Mulino im Village. Natürlich gibt es viele gute Restaurants; aber Mafiosi wissen eben, welches am besten ist. Und wenn du das nicht weißt, stimmt etwas nicht mit dir.
    Nat, mein Case Agent, nahm mich in italienische Restaurants mit und brachte mir bei, wie man bestellt, wie man das Essen kostet, worauf man achten sollte und wie echte Ganoven darüber reden. Ich lernte, prosciutt’ zu sagen, nicht prosciutto, manicot’, nicht manicotti. Ich erfuhr, was wür ziger Hummer ist, wie die Soße im Rao schmeckt, was regionale Küche ist – alles. (Übrigens bezahlten wir diese Mahlzeiten aus eigener Tasche; denn für diesen Teil meines Unterrichts übernahm das FBI die Spesen nicht.)
    Sobald ich wusste, wie ein echter Italoamerikaner Essen bestellt, setzte ich meine Ausbildung beim Food Channel fort. Besonders gern sah ich Molto Mario mit Mario Batali, Lidia’s Family Table mit Lidia Bastianich und Everyday Italian mit Giada De Laurentiis. Diese Shows sind wie Pornos für den Magen; sie machten mich hungrig! Ich informierte mich nicht nur über die Zubereitung der Gerichte, sondern auch über die korrekte italienische Aussprache der Worte. Außerdem lud ich meine Frau und ­unsere Freunde in italienische Restaurants ein, wo ich das Bestellen übte. Für einen Mann wie mich war dies bestimmt nicht der schwerste Teil meines Jobs.
    Hinzu kommt, dass ein Mafioso die Speisekarte nicht einmal ansieht. Er platzt herein, als gehöre ihm der Laden, begrüßt den Kellner und den Oberkellner wie Verwandte, die er lange nicht gesehen hat, und fragt ­jovial: »Na, was esse ich denn heute?«
    Dann macht der Kellner ein paar Vorschläge, die der clevere Ganove ignoriert.
    Stattdessen sagt er: »He, wisst ihr was? Macht mir ein bisschen von diesem und ein bisschen von jenem, etwas Prosciutt’ mit Parmigiano ­reggiano, ein wenig Antipast’ und etwas Polenta mit Gorgonzola und Wurst. Danach bringt ihr mir ein bisschen Linguine mit Muschelsoße. Was haltet ihr davon?«
    Die Kellner sind begeistert!
    Ich lernte auch, wie man »italienische Kriegsorden« erwirbt. So nennen es die Mafiosi, wenn jemand bei einer ihrer vielen Fressorgien sein Hemd mit Soße oder Spuren italienischer Speisen bekleckert. Das waren jedoch keine Ehrenzeichen, weil die Einzigartigkeit und das gepflegte Erscheinungsbild darunter litten. Wenn man einen Orden bekommen hatte, wussten alle, wie man ihn entfernt. Meiner Erfahrung nach war Sodawasser am besten. Sobald der Fleck trocken war, entfernte ich das Fett mit ­etwas Talkum.
    Für das Trinken gab es ebenfalls Regeln. In Philadelphia lernte ich, dass ein echter Ganove immer Macht ausstrahlt, selbst wenn er Bier bestellt. »He,

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