Ich war Jack Falcone
Polizisten vor einigen Jahren ermordet hatte. Der damalige FBI-Direktor Louis Freeh ehrte Richter Falcone mit einer Bronzebüste in der FBI-Akademie für seine Tapferkeit im Kampf gegen die italienische Mafia. Später zuckten einige Gangster zusammen, als sie meinen Namen hörten, und fragten laut, ob ich mit diesem abscheulichen Kerl verwandt sei. Dennoch wurde Jack Falcone mein Name in der Mafia.
Außerdem brauchte ich eine Sozialversicherungsnummer, die zu meiner neuen Identität passte. Bald erfuhr ich, dass solche Nummern auf den Straßen New Yorks leicht zu kaufen sind. Ich bekam eine falsche Nummer, ging damit zur Führerscheinstelle nach White Plains und besorgte mir einen Führerschein auf meinen neuen Namen. Dann beantragte und erhielt ich eine Kreditkarte. Allmählich erhöhte ich meine Kreditlinie, bis ich eine Goldkarte und schließlich eine Platinkarte von American Express bekam. Ich bezahlte auch alltägliche Dinge wie Benzin oder Mahlzeiten mit der Karte, um meine Kreditwürdigkeit als Jack Falcone zu verbessern.
Später, als ich an dem Fall arbeitete und die Mafiosi mich fragten, warum ich eine Amexkarte besitze, erklärte ich ihnen, mein Steuerberater habe mir geraten, für Umsätze zu sorgen, um meine legalen Geschäfte als Immobilienhändler glaubhaft zu machen. Das kauften sie mir ab. Sie fragten mich danach, weil Mafiosi keine Kreditkarten benutzen. Normalerweise haben sie ein großes Geldbündel bei sich, zusammengehalten von einem dicken blauen oder grünen Gummiband, wie Supermärkte es benutzen, um Brokkoli zu bündeln. Das Geldbündel wird Knoten genannt wie die Astknoten auf einem Parkettboden, und oben liegt immer ein Hundert-Dollar-Schein. Je größer das Bündel ist, desto erfolgreicher ist der Besitzer. Einen Gangster, der etwas auf sich hält, sieht man nie eine Geldbörse zücken. Alle tragen ihr Geld in dicken Bündeln bei sich, umwickelt mit diesen Gummibändern. Um sich ausweisen zu können, haben sie meist einen Führerschein dabei, der oft in einem anderen Bundesstaat ausgestellt wurde und abgelaufen ist. Das alles musste ich lernen. Der kleinste Fehler hätte mich als verdeckten Ermittler enttarnen können, und das Spiel wäre aus gewesen.
Zu all meinen falschen Papieren brauchte ich eine passende Geschichte. Also verwandelte ich mich in einen Typen aus Miami mit eigener Gang – ausgebufften kubanischen Bootsflüchtlingen, die für mich in Häuser einbrachen, um Juwelen und Drogen zu stehlen. Es gab ein paar Gambinos in Florida, die jedoch wenig oder gar keinen Kontakt mit den kubanischen Dealern hatten. Die New Yorker Gambinos konnten mich also von ihren Leuten in Florida nicht überprüfen lassen. Meine Geschichte war auch deshalb gut ausgedacht, weil ich bei mehreren Einsätzen eine Menge Zeit in Miami verbracht hatte. Ich kannte die besten Clubs und Restaurants, die ganze Szene. Und ich konnte eine glaubhafte Story über meine Erlebnisse in der Stadt erzählen.
Was meine Familie anbelangt, so war ich meinem fingierten Lebenslauf zufolge das einzige Kind, und meine Eltern waren gestorben. Mein Vater war ein Italiener, der in den fünfziger Jahren in einem Kasino in Havanna gearbeitet hatte, und meine Mutter war entweder Kubanerin oder Italiene rin – das wollten wir entscheiden, sobald es notwendig war. Ich wurde 1952 geboren, und als Castro 1959 an die Macht kam, wanderte meine Familie nach Miami aus. Nach dem Verlust beider Eltern ließ ich mich mit falschen Freunden ein und wurde wegen verschiedener Delikte mehrere Male festgenommen, war aber nie im Gefängnis. Ich fälschte eine Polizeiakte für Jack Falcone, damit ich meinen neuen Gambino-Kumpels bei Bedarf etwas zu erzählen hatte, wenn sie es nicht auf ihre Weise selbst herausfanden. Wichtig war, dass ich keine Gefängnisakte hatte. Gangster im ganzen Land knüpfen ihre Kontakte nämlich oft hinter Gittern. Ein Mitglied eines Mafiaclans verbringt vielleicht 20 Jahre in Bundesgefängnissen überall im Land. Jeder, der meine Vergangenheit überprüfte, konnte mühelos herausfinden, dass niemand einen Jack Falcone kannte, der zu einer bestimmten Zeit in einem bestimmten Gefängnis gewesen sein sollte. Oder er stellte fest, dass ein bestimmter Ganove genau zu der Zeit in einem Knast war, als ich angeblich auch dort einsaß, und fragte mich nach ihm aus.
Gewiss, das FBI leistete gute Arbeit und half mir, eine neue Identität aufzubauen; aber ich wusste, dass ich einen Schritt weiter gehen musste. Immerhin steckte
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