Ich war Jack Falcone
. Dort wächst Henry Hill in Brooklyn auf und beobachtet jeden Tag die gut gekleideten Mafiosi, die tolle Autos fahren und massenhaft Geld haben, obwohl sie nie etwas tun, was auch nur im Entferntesten wie Arbeit aussieht. Als Heranwachsender träumt er davon, einer von diesen Burschen zu sein – und genau das passiert. Die Filmfigur Hill ist nicht der Einzige. Zahllose Menschen, die in dieser Welt aufwachsen, träumen davon, eines Tages der Mafia anzugehören.
Im Grunde ist es wie ein Volltreffer im Lotto. Wenn man etwas vermurkst oder stiehlt, was ein anderer Mafioso haben will, wird man nicht umgelegt, nicht einmal vermöbelt. Man sagt einfach: »Ich gehöre zu Greg DePalma.« Das bedeutet, dass DePalma den Fall regelt – und solange jeder Geld verdient, lässt sich fast alles in Ordnung bringen, einerlei, was man verbockt hat.
Wäre ich ein echter Mafioso gewesen, hätte ich mich bei Straftaten sicher fühlen können. Angenommen, ich stehle einen LKW, und es stellt sich heraus, dass er einer Spedition gehört, die unter dem »Schutz« von Vinny Bagadonuts, einem Capo des Lucchese-Clans, steht. Okay, dann hab ich’s vermasselt. Dennoch werde ich weder umgebracht noch zusammengeschlagen. Stattdessen setzen sich Greg und Vinny zusammen. Das Ergebnis: Ich teile die Ladung oder den Gewinn mit Vinny oder gebe ihm alles zurück. Natürlich verlangt Greg seinen Anteil, weil er mein Capo ist. Und wenn der LKW gestohlene Waren im Wert von 10 0 000 Dollar geladen hat, können wir Vinny weismachen, wir hätten sie für weniger Geld verscherbelt, und den Rest selbst einstecken. Niemand hat Lust, wegen solcher Lappalien zu streiten! Sollen wir etwa vors Amtsgericht ziehen oder Richterin Salesch fragen?
Ich werde nie vergessen, was Greg zu mir sagte: »Wir verklagen einander nicht – wir bringen einander um!« Jeder nimmt sich, was er kriegen kann. Diebe sind Diebe, und sie bestehlen sich vor allem gegenseitig. Deshalb sind die Schlichtungsverfahren für die Mafia so wichtig – sie lösen Probleme, die man nicht der Polizei vortragen kann. Wenn jemand beispielsweise seine Schulden oder die Wucherzinsen auf seinen Kredit nicht zahlt oder seine Reviergrenzen überschreitet, setzen die Capos sich zusammen, um den Streit friedlich zu schlichten, damit alle auf ihre Kosten kommen. So etwas wie Ehre gibt es nicht unter Dieben. Wenn ein Ganove zum Beispiel behauptet: »Ich habe die Ware für 2 0 000 Dollar verscherbelt«, hat er sie mit Sicherheit für 5 0 000 Dollar verkauft. Und der andere weiß, dass es eine Lüge ist. Aber das spielt keine Rolle. Alle verdienen daran.
Für mich war es ein großer Vorteil, dass ich jetzt kein Erpressungsopfer der Mafia mehr war, sondern ein Teil der Truppe. Anstatt im Club herumzusitzen und zu warten, dass etwas passierte, erlebte ich nun aus erster Hand, was DePalma und seine Leute taten. Mein Status als verdeckter Ermittler ermöglichte es mir, viele initiierte Mitglieder der Mafia zu identifizieren, die noch nicht auf der Fahndungsliste des FBI standen. Ich konnte dem Büro berichten, wer die Capos und Soldaten waren, wer mit wem sprach und worüber sie sprachen. So sammelten wir Beweise gegen die Mafiosi, denen ich begegnete, und gegen die Leute, die sie in aufgezeichneten Gesprächen erwähnten.
Ich möchte jedoch klarstellen, dass ich mich nie an einem Verbrechen beteiligte und auch nie dabei war, wenn jemand getötet oder zerstückelt wurde. Vergessen Sie diesen Hollywood-Quatsch. Ich habe diese Grenze weder im Gambino-Fall noch in all den anderen Fällen überschritten, an denen ich für das FBI im Laufe der Jahrzehnte arbeitete.
Da ich jetzt Insider war, konnten wir Aufzeichnungsgeräte anfordern, die es uns ermöglichten, die Bewegungen der Verbrecher genauer denn je zu verfolgen. Auf diese Weise fand das FBI heraus, ob ich in Gefahr war, und das war ein enormer Vorteil. Wir verwanzten DePalmas Tisch im Pasta Per Voi, einem Restaurant in Port Chester, New York, in der Nähe der Grenze zu Connecticut. Dort traf sich Greg häufig mit Anthony Megale, dem Stellvertreter der Gambinos. Das Lokal gehörte Joe Fornino, einem altbewährten Verbündeten des Clans, den Greg möglicherweise zum Mitglied machen wollte. Man nannte ihn »Automaten-Joe«, weil er in ganz New York viele Spielautomaten in Restaurants aufstellte. Während Greg im Gefängnis war, schickte Joe ihm einzelne Speisen und sogar ganze Mahlzeiten. Greg bewirtete damit John Gotti jun. und die bestochenen
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