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Ich war Jack Falcone

Ich war Jack Falcone

Titel: Ich war Jack Falcone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joaquinn Garcia
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steht, und manchmal weißt du nicht einmal, wer du bist!«
    Sie hatte recht. Ich jonglierte mit verschiedenen Identitäten für verschiedene Fälle und verbrachte nur die Hälfte meiner Zeit mit ihr und meiner Tochter. Und ich war immer in Gefahr.
    Viele Kollegen arbeiten im Laufe ihres Berufslebens undercover – aber keiner war je an mehreren Fällen gleichzeitig beteiligt. Darum sage ich, dass die Agenten großartig sind; aber die wahren Helden sind die Frauen und Kinder, denn sie opfern am meisten.
    Es ist eine Ironie – ich bin immer sehr vorsichtig und gut vorbereitet, ehe ich einen Fall anpacke. Ich informiere mich genau über die Kollegen, mit denen ich zusammenarbeite, über die Situation, in der ich mich befinde, über die Leute, denen ich begegne, und über meine Rolle. Nur im wahren Leben vergaß ich, mir eine gute Geschichte zurechtzulegen. Natürlich wurde ich bisweilen nach meinem Beruf gefragt.
    Nun ja, wenn ich den Leuten dann erzählte, ich sei FBI-Agent, verdrehten sie die Augen und sagten: »Ja, klar!« Andererseits sollte nicht jeder wissen, dass ich beim FBI war, denn ich wusste ja nicht, wen die Leute kannten und mit wem sie darüber sprechen würden. Darum dachte ich mir einfach Geschichten aus. Vor einem Nachbarn trat ich als Bauarbeiter auf, vor einem anderen als Immobilienmakler und vor einem dritten als Restaurantpächter. Das alles dachte ich mir spontan aus.
    Meine Frau machte mir Vorhaltungen: »Als ich unsere Tochter zur Schule brachte, traf ich eine Bekannte und wusste nicht, was ich ihr sagen soll. Du hast ihr erzählt, du wärst Italiener, aber ihrem Mann hast du erzählt, du wärst Kubaner. Du brauchst eine Geschichte, die Hand und Fuß hat!«
    Obendrein bat mich meine Tochter damals, mit ihr in die Schule zu gehen und ihrer Klasse zu erklären, welchen Beruf ich hatte. Das taten alle anderen Väter. Sie war sehr enttäuscht, weil ich ihren Wunsch unmöglich erfüllen konnte. Übrigens kannte sie nicht einmal meinen richtigen Namen, bevor sie sechs Jahre alt war. Wenn sie mir am Telefon zuhörte, war ich Hector, Antonio, José, Manny und so weiter – sie wusste nur, dass ich Papa war. Ja, ich investierte viel Energie in meine Rollen; aber ich hätte mich auch um eine Rolle im realen Leben bemühen sollen. Als wir in Manhattan lebten, merkten meine Nachbarn nur einmal, dass ich beim FBI war. Meine Frau und meine kleine Tochter wurden nämlich in der Nähe der UNO von einem Obdachlosen überfallen. Jetzt wohnten wir in einer Vorstadt, und ich fürchtete, meine Nachbarn würden herumerzählen, dass ich beim FBI war.
    In Wirklichkeit sagten meine Nachbarn wohl: »Dieser Kerl ist der größte Schauspieler auf Erden!« Mein Aussehen, mein Verhalten und meine häufige Abwesenheit brachten sie auf die Idee, ich sei ein Fall für das Zeugenschutzprogramm. Ich war wie Steve Martin in My Blue Heaven – etwas stimmte einfach nicht mit mir. Heute sagen sie zu meiner Frau: »Wir hatten immer den Eindruck, dass Ihr Mann ein wenig sonderbar ist – gestern war er Italiener, heute ist er Kubaner, und morgen ist er halb Italiener, halb Kubaner.«
    Daran konnte ich keinen Gedanken verschwenden; denn als DePalma mich in seine Gang aufnahm, änderte sich der Fall. Anfangs wollten wir nur herausfinden, welche Ganoven den Stripclub besuchten und was wir ihnen anhängen konnten. Aber jetzt ergaben sich völlig neue Aspekte. Als Verbündeter DePalmas war ich Zeuge einiger, wenn auch längst nicht aller seiner Gespräche, bei denen es um die kriminellen Machenschaften des Gambino-Clans ging. Ich erhielt Informationen aller Art und hatte keine Ahnung, wohin das alles noch führen würde. Beim FBI fragten wir uns: »Wie können wir das alles noch steigern?«
    Ich war kein initiiertes Mitglied der Mafia. Manche »Verbündete« werden nie aufgenommen, andere schlägt jemand zur Aufnahme vor, sofern sie loyal und lukrativ sind. Ich weiß, das ist Mafia-Einmaleins, aber ich erwähne es, weil Greg DePalma mich jetzt anderen Mafiosi als »mein Freund« vorstellen konnte. Das war ein Schritt über die Herzlichkeit hinaus, die unsere Beziehung bis dahin geprägt hatte; aber es war immer noch etwas anderes als eine Mitgliedschaft. Wäre ich initiiertes Mitglied gewesen, hätte Greg mich einen »Freund von uns« (amico nostro) genannt. Der Unterschied zwischen »mein Freund« und »unser Freund« war enorm, weil Mitglieder sich ganz offen unterhalten konnten. Diese Ebene hatte ich noch nicht erreicht. Im Grunde

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