Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich war nur kurz bei Paul

Ich war nur kurz bei Paul

Titel: Ich war nur kurz bei Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herfried Loose
Vom Netzwerk:
den Plan; wo zwei die Köpfe zusammensteckten, da durfte er schließlich nicht fehlen. Aufgeregt stand er vor ihnen und kläffte, was das Zeug hielt.
     

Kapitel 19
     
     
    Diese zweite Reise nach London hatte seinen Freund verändert. Anfangs dachte sich Ralf noch nichts dabei, aber diese Veränderung hielt die nächsten Monate an. So oft er Paul besuchte, war dieser, wie ausgewechselt; Seine Art sich zu kleiden wurde immer auffälliger, auch schienen seine Reden und vor allem sein Lachen auf seltsame Weise einem anderen zu gehören.
       Hinzu kam, dass er nun dauernd in seinem Atelier rauchte und sich auch ihre Teestunde veränderte. Tee gab es nur noch für Ralf - Paul trank Rotwein - und, wie von Ralf nicht unbemerkt blieb, schien er zuviel davon zu trinken.
       Karlchen büßte ebenfalls einen Teil seiner Fröhlichkeit ein. Alles in allem; etwas stimmte nicht mit Paul und Karlchen! Es schien etwas mit dem Rotwein zu tun zu haben, denn solange Ralf sich erinnerte, hatte er nie in seiner Gegenwart Alkohol getrunken - bis eben zu jener zweiten Londonreise. 
       Ralf begann sich Sorgen zu machen, umso mehr, seit seine Oma Jensen vor zwei Monaten gestorben war. Still und leise war sie gegangen, und Ralf hatte es erst zufällig(!) durch ein Telefonat mit seinem Silberstedter Freund Justin einige Wochen nach ihrem Tode erfahren.   
       Bestürzt berichtete er sofort seiner Mutter und seiner Schwester davon. Sie waren alle drei wie vor den Kopf geschlagen. Ihr Vater hatte davon nichts erwähnt, geschweige denn, die Beerdigung bekannt gegeben. Seitdem hatte Ralf das einzige schöne Foto, das er von seiner Oma besaß, mit einem schwarzem Trauerflor und einem silbernen Rahmen versehen und gut sichtbar neben seinen Monitor gestellt.
       Nur gut, dass sein Kummer abgefedert wurde durch seine Freundin Lea. Sie gingen jetzt wirklich miteinander. Häufig half er ihr im Stall bei den Pferden. Er selber wollte nicht reiten, aber die schönen Tiere gefielen ihm. Außerdem schien die Reiterei eine reine Mädchensache zu sein. Außer dem Sohn des Reitstall-Besitzers sah er nie einen Jungen beim Reiten.
       Bei den anderen Reiterinnen war er gern gesehen, was Lea häufig zu eifersüchtigen Reaktionen verleitete. Darauf war Ralf immer ein wenig stolz. Lea konnte richtig eifersüchtig sein, obwohl er ihr wirklich keinen Grund dazu gab. Sie war sein Traummädchen, und vielleicht gerade weil er deshalb den anderen keine schönen Augen machte, forderte er dadurch deren Ehrgeiz möglicherweise umso mehr heraus.
       Er maß dem jedoch keine allzu große Bedeutung bei. Die Nachmittage nach der Schule schienen kaum noch unverplante Zeiten aufzuweisen; da war das zweimalige Fußballtraining pro Woche, jetzt immer montags und freitags, weil sein ehrgeiziger Wunsch, mit Lorenz in der ersten Mannschaft zu spielen, seit einigen Monaten wahr geworden war. Wie hatte er sich darüber gefreut. Dann war da mittwochs immer noch der Konfirmations-Unterricht bei Pastor Schulz und natürlich die Nachmittage mit Lea, die er häufig, um ihr nahe zu sein, mit ihr auf dem Reiterhof verbrachte.
    Meistens schaute er jetzt mittwochs, zwei Stunden vor dem Konfer, bei Paul herein. So auch heute. Als er klingelte, hörte er schon überdeutlich Karlchens Gekläffe im Treppenhaus. Es klang anders als sonst. Kein Summer ertönte, die Haustür wurde stattdessen von einem Hausbewohner, der gerade das Haus verließ, geöffnet. Ralf grüßte und nutzte die Gelegenheit hinein zu schlüpfen.
       Von unten sah er durch den Treppenschacht Karlchens Kopf. Ralf war hochgradig beunruhigt - irgendetwas stimmte da oben nicht! Er rannte hoch, die Tür stand angelehnt, eigentlich wie immer - und doch...
       Ralf trat ein, durchquerte den Atelierflur und sah Paul auf der Eckbank liegen. Auf dem Tisch ein kalter Stumpen und zwei Flaschen Rotwein, eine leer, die andere enthielt nur noch einen kleinen Rest. Paul trug seinen Malerkittel, die Brille war ihm von der Nase gerutscht und hing schief in seinem Gesicht.
       »Paul! Paul! Was ist los?« Ralf beugte sich über den alten Mann, meinte im ersten Moment Blut auf dessen Hemd zu sehen, doch es schien sich um Rotwein zu handeln. Pauls Gesicht fühlte sich warm an, und Ralf hörte ihn geräuschvoll atmen. Er schüttelte ihn. »Paul! Paul, wach auf! Was ist mit dir?« Paul reagierte auf die laute Ansprache, verschluckte sich beim Versuch zu sprechen und wurde von einem Hustenanfall geschüttelt. Dabei kam er

Weitere Kostenlose Bücher