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Ich war seine kleine Prinzessin

Ich war seine kleine Prinzessin

Titel: Ich war seine kleine Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nelly
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in seine kräftigen,
schwieligen Hände und trug mich, die Arme hoch über den Kopf gestreckt, über
den Dorfplatz. Er zeigte mich herum und ging zum Schluß ins Café, wo alle
Männer des Dorfs versammelt waren. Ich war da vielleicht zwei oder drei Wochen
alt. Mein Großvater soll vor Freude geweint haben.
    »Das ist meine Enkelin«, sagte er.
»Seht doch nur, wie schön sie ist. Das ist meine Enkelin!« Er war ungeheuer
stolz. Und das machte Papa ganz glücklich. Zum erstenmal in seinem Leben war
sein Vater stolz auf ihn — und das meinetwegen. Mir hatte er es zu verdanken,
daß sein Vater endlich seine Zuneigung erwiderte und ihm Achtung und Liebe
entgegenbrachte.
    Sie haben beide geweint und sich
umarmt. Von dem Tag an besserte sich ihr Verhältnis zueinander. Endlich, so
schien es meinem Vater, nahm Großvater René ihn zur Kenntnis. Ja, ich habe die
beiden einander nähergebracht, und ich glaube, mein Vater war mir in gewisser
Weise dankbar dafür. Vielleicht liebte er mich deswegen soviel mehr als meine
Geschwister.
    In den Augen meines Großvaters hatte
Papa etwas Außerordentliches geleistet. Und mein Vater liebte mich dafür. Weder
für meinen Bruder noch für meine Schwester empfand er später die gleiche
Zuneigung. Großvater hat sie ja auch nicht so wie mich durchs ganze Dorf
getragen und allen zugerufen: »Hier, seht her, das sind meine Enkelkinder! Ich
bin ja so stolz auf sie!«
    Für meinen Vater war ich folglich etwas
Besonderes. Ich war anders als die anderen. So eine Art Wunder, das er vom
ersten Tag an liebte, das er mehr als alles auf der Welt liebte, mehr als meine
Geschwister, auch wenn das ungerecht war. Mein Bruder und meine Schwester haben
sehr darunter gelitten. Sie konnten es nicht verstehen und waren eifersüchtig
auf mich. Vielleicht war das mit ein Grund dafür, daß alles so gekommen ist.
Ich hatte das Gefühl, mehr wert zu sein als die anderen. Der Liebling meines
Vaters zu sein, ihm nahezustehen, nur das zählte für mich. Liebe kann man nie
genug bekommen. Und niemand außer meinem Vater konnte mir soviel Liebe geben.
Deshalb liebte ich ihn abgöttisch. Er war mein ein und alles. Er war wie ein
Gott für mich.
    Wenn mein Vater nicht da war, ging es
mir nicht gut. Ich lebte erst wieder auf, wenn er nach Hause kam. Dann war ich
glücklich. Sowie er es sich vor dem Fernseher bequem machte, setzte ich mich
auf seinen Schoß, und wir sahen zusammen fern. Hatte ich etwas angestellt,
drückte er im Gegensatz zu Mama immer ein Auge zu.
    Einmal hatte mir meine Mutter
Lederschuhe gekauft. Ich zog sie zum Fahrradfahren an, und weil ich keine
Bremse hatte, stellte ich zum Anhalten den Fuß auf das Hinterrad. Dabei riß die
Sohle ab. Meiner Mutter habe ich aus Angst vor Schelte nichts davon gesagt. Ich
versteckte die Schuhe im Schrank. Als Papa nach Hause kam, habe ich ihm alles
gebeichtet. Er lachte nur, und am nächsten Tag brachte er sie zum Schuhmacher,
ohne meiner Mutter etwas zu sagen. Laury und Sandy hätte er so etwas nicht
durchgehen lassen, die hätten eine ordentliche Tracht Prügel bekommen. Aber bei
mir war das etwas anderes, ich war eben Nelly.
    Solche Kleinigkeiten waren es, die uns
zu Verbündeten machten. Im Lauf der Zeit tat Papa viel, um dieses innige
Verhältnis zu vertiefen. Er kaufte mir zum Beispiel — gegen den Willen meiner
Mutter — Schuhe mit hohen Absätzen. Und er unterhielt sich oft mit mir. Er
wollte meine kleinen Geheimnisse teilen und genau wissen, wie es in der Schule
lief. Ich konnte über alles mit ihm reden, bloß nicht über Jungs. Man hätte
meinen können, er sei eifersüchtig.
    Einmal bin ich mit einem Freund in eine
stillgelegte Fabrik hinter der Schule gegangen. Wir haben herumgeblödelt, ganz
harmlos, und darüber die Zeit vergessen. Wir haben nicht mal die Schulglocke
gehört. Irgendwann sagte mein Freund: »Komisch, die Sonne geht ja schon unter.«
    Wir rannten in die Schule zurück.
Unterwegs fragten wir eine Frau nach der Uhrzeit, und sie sagte, es sei fünf
nach sechs. Das werde ich nie vergessen. Ich geriet total in Panik. Ich ging
zum Direktor, und er verwies mich für drei Tage von der Schule.
    Meine Mutter schimpfte. »Das wirst du
deinem Vater selber sagen.« Ich hatte eine Heidenangst. Als mein Vater nach
Hause kam, sagte ich zu ihm: »Papa, ein Freund und ich, wir haben da eine
Dummheit gemacht.«
    »Was soll das heißen: ein Freund und
ich? Hast du etwa mit ihm geschlafen?« Ich war sprachlos. Ich war erst zwölf,
und das einzige, was

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