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Ich war zwölf...

Ich war zwölf...

Titel: Ich war zwölf... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nathalie Schweighoffer
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sehen?«
    »Nein... laß uns nachdenken.«
    »Vertraust du mir nicht?«
    »Doch, aber...«
    »Für mich gibt es kein aber...«
    »Nur für ein paar Tage, Bruno...«
    Warum quäle ich ihn so? Diese
Geschichte stimmt nicht. Wieder einmal eine Erfindung von der Komödiantin
Nathalie. Ich möchte, daß etwas Wichtiges geschieht. Muß ihn in
Alarmbereitschaft versetzen. Ihn beunruhigen. Ich benehme mich ihm gegenüber
ekelhaft. Er liebt mich und ich? Ich ihn auch. Ich habe nur ihn. Hör auf mit
diesen Dummheiten, Nathalie... Und wenn du ihn verlierst, weil du dich so blöd
aufführst?
    »Verzeih mir. Es war nur so wegen...
wegen nichts...«
    »Machst du dich über mich lustig?«
    »Nein. Ich mache mir im Augenblick
ziemlich viel Sorgen. Zwischen meinen Eltern kriselt es... Meine Mutter wird
eines Tages abhauen, wenn mein kleiner Bruder groß ist... die Atmosphäre im
Haus ist alles andere als angenehm... tut mir leid. Denk nicht mehr dran.«
    Plötzlich hatte ich Lust gehabt, alles
kaputtzumachen, selbst mein einziges Glück; ich konnte der Versuchung nicht
widerstehen, es zu zerstören. Bruno auf die Probe einer Trennung stellen... Ein
Blödsinn, noch so ein Theater in meinem verwirrten Kopf. Ich weiß nicht mehr,
wie ich das wieder gutgemacht habe. Aber ich habe es wieder gutgemacht. Mich
der Gefahr eine Minute lang auszusetzen hatte mir letztendlich genügt.
    Idiotin. Ich hing an Bruno mehr als an
irgend jemand anderem. Aber in meiner Lage war es schwierig zu glauben, daß man
mich liebt. Kann man jemanden lieben, der so schmutzig ist wie ich? Eine solche
Lügnerin? Muß man noch betonen, daß der Geschlechtsverkehr mit Bruno eine
zusätzliche Lüge mit sich brachte? Sobald er mich berührte, log ich. Dennoch
liebte ich, auf meine Weise, nur: Lieben wurde zu einer weiteren Falle.
    Keine Regel. Diese verdammte Regel,
diese gottverfluchte Regel will nicht kommen. Jeden Tag mustere ich mich voller
Ekel und Mißtrauen. Morgen wird sie kommen. Am nächsten Tag wieder nichts. In
mir steckt das Geheimnis. Ein Kind? Ein kleines Baby? Aber von wem? WEM? Wer
ist der Vater? Wer hat gewagt, mir das anzutun, obwohl ich noch nicht einmal
Bescheid wußte?
    Ein Kind von meinem Vater, ein Kind von
Bruno, was habe ich? Was ist nur da drinnen?
    Cabrel singt für mich:
     
    Ich hin in eine Kirche gegangen,
    Dort hab’ ich nichts gesehen,
    Als die tonlose Stille der Gipsstatuen.
     
    In der Dunkelheit meines Zimmer, beim
Licht einer einzigen Kerze, liege ich bäuchlings auf meinem Bett und denke
nach. Zuerst denke ich an meine Mutter: Sie wird besonders leiden. Sie wird
mich nicht mehr lieben. Er wird Bruno beschuldigen, der Vater zu sein, und sich
aus der Affäre ziehen, wie üblich. Und wenn ich es behielte? Vielleicht ist das
meine Chance fortzugehen. Aber fortgehen mit einem Kind von meinem Vater? Wie
später damit leben? Und wenn schon. Ich scher’ mich einen Dreck drum. Auf alle
Fälle bin ich hin, das Baby ebenfalls. Wenn das so ist, gehe ich mit ihm in
meinem Bauch und mit Bruno fort und werde nie ein Wort darüber verlieren. Das
ist meine einzige greifbare Aussicht. Keine rosige Aussicht. Aber immerhin
eine. Abhauen. Dann wird man weitersehen. Ich kann nicht mehr.
    Mama wird zu Ohren kommen, daß ich mit
einem Mann schlafe, Mama wird unglücklich sein. Und dann wird sie sich damit
abfinden. Ich bin sechzehn, mit einer Ausnahmegenehmigung kann ich hei r aten;
jedenfalls wird er mich in Ruhe lassen, der andere, und zwar endgültig.
    Cabrel singt für mich:
     
    Ein Bettler ist mir begegnet, der sich
verirrt hat,
    Mit seinem Regenmantel sehe ich ihm ein
wenig ähnlich,
    Und dann habe ich dein Bild vor Augen,
    Ich denke an dich.
     
    Ich höre ihn wieder und wieder. Es tut
gut, Worte wie diese im Kopf zu haben. Das benebelt. Das zaubert Träume hervor.
Das läßt vergessen.
    Samstag Garagenbüro. Mein Vater und
ich.
    »Ich werde dir einen
Schwangerschaftstest kaufen. Das ist das einzige Mittel, Bescheid zu wissen.
Wir wissen dann, was los ist.«
    Möchte ich wissen, was los ist? Ich
glaube nicht. Was ist ein Schwangerschaftstest? Ein Ding, das sagt, ob man
schwanger ist oder nicht, aber es sagt nicht, von wem.
    Er ist nervös. Nur ein bißchen. Als
wenn die Sache ihn nicht wirklich anginge. Er hat für alles vorgesorgt.
    »Deine Beziehung zu Bruno ist
offiziell. Niemand wird etwas daran auszusetzen haben. Das wird uns erlauben,
die Dinge mit deiner Mutter ins reine zu bringen. Wenn du’s bist, sprechen wir
mit ihr, wir werden

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