Ich war zwölf...
sehen, was zu unternehmen ist.«
»Weil Bruno der Vater ist?«
Er zuckt die Schultern. Daran besteht
kein Zweifel.
Er selbst wird den Test kaufen.
Er kommt mit einer kleinen
Pappschachtel zurück, die in einer weißen Papiertüte steckt.
»Mach es richtig, alles ist auf dem
Zettel erklärt.« Im Badezimmer eingeschlossen, betrachte ich mich im Spiegel.
Ich starre auf das kleine Glasröhrchen und warte darauf, daß sich dieses
verdammte Zeug verfärbt. Mein Leben hängt davon ab. Ein anderes Leben
ebenfalls. Also, verfärbst du dich nun endlich, du verdammtes Drecksding?
Orange. Das Ding sagt, daß ich
schwanger bin. Alles ist orange. Die Erde ist blau wie eine Orange. Mein Bauch
ist rund wie eine Orange. Ich will das nicht. Das Ding hat sich geirrt. Es kann
nicht sein, es wird die Farbe wechseln, es wird grün werden, und ich werde
überhaupt nichts im Bauch haben. Hab’ ich’s vielleicht nicht richtig gemacht?
Ich lese den Zettel noch einmal durch.
Es ist einfach. Da ist ein Ding, das man in den Urin hineingibt und ein Ding,
das ihn färbt. Wenn es orange wird, ist man’s.
Ich heule los. Ich laufe in diesem
Badezimmer im Kreise herum, ohne zu wissen, was ich tun soll. Ich dusche, um
mir Mut zu machen, um nachzudenken. Das kalte Wasser auf der Haut, auf der
Brust, auf dem Bauch, ich hasse all das. Sie hatten kein Recht, mir das
anzutun. Nein, doch nicht. Es ist meine Schuld. Wenn ich nicht da wäre, gäbe es
meinen Vater nicht, gäbe es Bruno nicht, gäbe es all diese Scherereien um mich
herum nicht. Alles ist meine Schuld. Meine Schuld, ganz allein meine Schuld.
Ich werde nicht mehr zum lieben Gott beten. Ich weiß jetzt, daß in den Kirchen
niemand ist.
Ich reibe mich ab, reibe mich wie eine
Wahnsinnige unter dem kalten Wasser ab. Ich wasche mich mit Wasser und Tränen.
Die anderen schlafen und dürfen nicht geweckt werden. Ich leide, sie schlafen.
Ich beende meine Dusche, ich reibe mich immer noch ab, ich ziehe mich wieder
an, ich gehe auf Zehenspitzen in den Flur, bis in mein Zimmer und laufe wieder
unter die Dusche. Ich bin nicht sauber. Wie auch immer, ich werde es nie sein.
Auf Zehenspitzen, rot von dem
eiskalten, wirkungslosen Wasser komme ich wieder heraus.
Ich werde mich hierhin setzen, in
meinen Schaukelstuhl. Ich werde hin- und herschaukeln und Cabrel hören, wieder
und wieder. Mach, daß ich’s vergesse. Laß mich von der großen Liebe träumen,
der idealen Liebe wie im Märchen.
Unsanft wird die Tür geöffnet, ich
mache einen Satz nach hinten. Mein Vater kommt herein. In mein Zimmer. Ich kann
das nicht ausstehen. Ich will ihn hier nicht haben. Hier bin ich. Nur ich. Oder
Bruno.
»Was willst du?«
»Es wissen. Also?«
Er setzt sich aufs Bett, neben mich,
die ich immer noch im Schaukelstuhl bin.
»Bringt’s dich um den Schlaf?«
»Nein. Ich wollte wissen, ob es Neuigkeiten
gibt.«
»Superneuigkeiten. Ich bin schwanger.«
»Ich werde dich am Montag zu einem Arzt
schicken. Wir müssen wissen, ob es tatsächlich stimmt. Ich werde einen Termin
vereinbaren, du wirst allein hingehen, hier hast du Geld.«
»Was soll der Arzt denn noch dazu
sagen?«
»Er wird dich untersuchen und einen
anderen Test mit dir machen, einen, der sicherer ist, und dann werden wir uns
etwas einfallen lassen.«
Wir werden uns etwas einfallen lassen.
Genau.
»Was wirst du dir einfallen lassen?«
»Wir werden sehen. Wenn es unbedingt
nötig ist, könnte ich dich nach England schicken. Wenn es Schwierigkeiten mit
Bruno gibt, beispielsweise. Aber das paßt mir nicht. Es ist teuer, und ich
könnte dich nicht allein fahren lassen. Du bist minderjährig. Wegen deiner
Mutter werden wir später entscheiden.«
Er geht hinaus. Er hat mein Zimmer
verpestet mit seiner Gauloise, seiner Gleichgültigkeit. Er hat nicht einmal
Angst gehabt, der Schuft. Bruno ist da, um alles einzustecken. Bruno wird es
seinen Eltern sagen müssen, und es wird ein schönes Debakel geben wegen mir,
wieder einmal. Oder ich werde wie ein Paket nach London geschickt, um mir den
Bauch auskratzen zu lassen, um dieses Baby daraus zu entfernen. Jetzt bin ich
besudelt von einem Baby.
Ich weiß nicht, warum mein Vater mich
während dieses ganzen bangen Sonntags in Ruhe gelassen hat. Er hat mir sogar
Geld gegeben, damit ich mit Freunden ein Glas trinken gehen konnte. Als
bräuchte ich eine Erholung. Hatte aber keinen Bedarf. Ich wollte niemanden
sehen, außer Bruno. Ich bin mit ihm spazieren gegangen. Ich war die normale
Nathalie, die Lügnerin
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