Ich weiss, dass du luegst
geschieht durch die Verstärkung der Signale, aufgefangen von Sensoren, die an unterschiedlichen Körperteilen angebracht werden. Beim typischen Einsatz des Polygraphen als Lügendetektor werden vier Sensoren am Körper befestigt. Ein «Atmungsgürtel» wird um Brust und Magen gebunden, um zu messen, wie sich Intensität und Geschwindigkeit der Atmung verändern. Eine Blutdruckmanschette am Bizeps misst die Herzaktivität. Der vierte Sensor registriert winzige Veränderungen beim Schwitzen. Dafür werden Metallelektroden an den Fingern befestigt.
Webster's Dictionary erwähnt zu Recht, dass der Polygraph manchmal Lügendetektor genannt wird, was aber in die Irre führt, denn der Polygraph kann eine Lüge an sich nicht erkennen. Es wäre sehr viel einfacher, gäbe es ein eindeutiges Anzeichen, das ausschließlich einer Lüge zugeordnet werden könnte. Fast alle Aspekte des Polygraphen sind umstritten, aber alle Anwender sind sich einig, dass er Lügen nicht unmittelbar messen kann. Er misst nichts weiter als die Signale des vegetativen Nervensystems - physiologische Veränderungen, die hauptsächlich deshalb hervorgerufen werden, weil die untersuchte Person emotional erregt ist.| d
Dasselbe gilt für die Verhaltenshinweise auf Täuschungen. Erinnern wir uns: Kein Gesichtsausdruck, keine Geste und keine Veränderung der Stimme ist ein Anzeichen für eine Lüge an sich. Diese Verhaltensweisen signalisieren lediglich emotionale Erregung oder Schwierigkeiten beim Nachdenken. Eine Lüge lässt sich daraus ableiten, weil die Emotion nicht zum eingeschlagenen oder erfundenen Kurs der untersuchten Person passt. Der Polygraph liefert nicht so sehr präzise Informationen als vielmehr Verhaltenshinweise auf eine vorhandene Emotion. Ein winziger Gesichtsausdruck kann verraten, ob jemand beispielsweise wütend, ängstlich oder schuldig ist. Der Polygraph gibt lediglich an, dass irgendeine Emotion im Spiel ist. Welche das ist, bleibt offen.
Um Lügen aufzudecken, vergleicht der Prüfer in dem Augenblick, in dem die entscheidende Frage des ganzen Tests gestellt wird - «Haben Sie die 750 Dollar gestohlen?» -, die auf dem Ausdruck aufgezeichnete Aktivität mit der Reaktion des Verdächtigen auf ein paar andere Fragen, die nichts mit der eigentlichen Angelegenheit zu tun haben, wie etwa «Ist heute Dienstag?» oder «Haben Sie jemals in Ihrem Leben gestohlen?». Ein Verdächtiger wird als schuldig erkannt, wenn der Polygraph mehr Aktivität bei den relevanten als bei den anderen Fragen aufzeichnet.
Die Prüfung mit dem Polygraphen ist, wie die auf Verhaltensweisen beruhenden Anzeichen für eine Täuschung, anfällig für den sogenannten Othello-Fehler. Wir erinnern uns: Othello erkannte nicht, dass Desdemonas Angst womöglich nicht die quälenden Schuldgefühle einer ertappten Ehebrecherin waren, sondern die Angst der treuen Ehefrau, dass ihr Mann ihr nicht glaubt. Nicht nur Lügner, sondern auch Unschuldige geraten in emotionale Erregung, wenn sie erfahren, dass man sie der Lüge bezichtigt. Wird eine unschuldige Person eines Verbrechens verdächtigt, sei es, dass sie ein geheimes Dokument an die Presse weitergeleitet haben soll oder zu einer Tat befragt wird, die eine Unbedenklichkeitseinstufung als Voraussetzung für eine Anstellung gefährden könnte: Eine emotionale Erregung ist so gut wie sicher. Allein die Aufforderung, den Lügendetektortest zu machen, kann genügen, um bei manchen Menschen Angst auszulösen. Sie kann besonders stark sein, wenn ein Verdächtiger Grund zu der Annahme hat, Prüfer und Polizei seien ihm gegenüber voreingenommen. Angst ist nicht die einzige Emotion, die ein Lügner im Umfeld der Lüge empfinden kann. Wie in Kapitel 3 erläutert, kann ein Lügner ein Schuldbewusstsein für den Betrug entwickeln oder Freude an der Überlistung empfinden. Jede dieser Emotionen löst im vegetativen Nervensystem Prozesse aus, die vom Polygraphen gemessen werden können. Genau diese Emotionen laufen aber nicht nur bei Lügnern, sondern auch bei unschuldigen Personen ab. Welche Emotionen ein Verdächtiger empfindet, hängt von der Persönlichkeit des Verdächtigen, von der Beziehung zwischen dem Verdächtigen und dem Lügenermittler sowie von den Erwartungen des Verdächtigen ab (siehe Kapitel 6).
Die Kontrollfragentechnik
Alle Anwender des Polygraphen und dessen Kritiker wissen um die Notwendigkeit, die Othello-Fehler zu verringern. Es herrscht Uneinigkeit darüber, wie gut die polygraphischen
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