Ich weiss, dass du luegst
Befragungsmethoden diese Fehlerquelle eindämmen oder ganz beseitigen können. Es gibt vier Befragungsmethoden mit dem Lügendetektor und darüber hinaus noch einige Varianten. Im Augenblick genügt uns die Betrachtung zweier Verfahren. Die erste ist die Kontrollfragentechnik, die bei der Vernehmung von kriminellen Verdächtigen am häufigsten angewendet wird. Dem Verdächtigen werden nicht nur Fragen gestellt, die unmittelbar mit dem Vergehen zu tun haben («Haben Sie die 750 Dollar gestohlen?»), sondern auch Kontrollfragen. Ein großer Teil der Kontroverse über diese Technik basiert auf der Meinungsverschiedenheit, was diese Frage eigentlich womit vergleicht und wie erfolgreich sie dabei ist.
Dazu sagt der Psychologe David Raskin, ein renommierter Wissenschaftler, der den Einsatz der Kontrollfragentechnik bei strafrechtlichen Ermittlungen befürwortet: «Der Prüfer könnte zur Versuchsperson sagen, da es sich hier um einen Diebstahl handelt, muss ich Ihnen ein paar allgemeine Fragen stellen, was Ihre Einstellung zum Stehlen und Ihre generelle Ehrlichkeit betrifft. Wir müssen das tun, um etwas über Ihre Persönlichkeit zu erfahren, was Sie von Diebstahl halten, und um festzustellen, ob Sie als jemand in Frage kommen, der das Geld gestohlen und später in dieser Angelegenheit gelogen haben könnte. Deshalb frage ich Sie: Haben Sie während der ersten 18 Jahre Ihres Lebens jemals etwas an sich genommen, das nicht Ihnen gehörte? Wie würden Sie diese Frage beantworten?» Die Art der Fragestellung und das Verhalten des Prüfers sind so angelegt, dass sie den Befragten in die Defensive drängen und eine verneinende Antwort ihn in Verlegenheit bringen würde. Diese Prozedur [schreibt Raskin] ist absichtlich so konstruiert, um einer unschuldigen Person die Perspektive zu verschaffen, sich sorgfältiger um die Glaubwürdigkeit ihrer Antworten auf die Kontrollfragen zu bemühen als um die relevanten Fragen. Ein schuldiger Verdächtiger hingegen wäre viel mehr mit seinen betrügerischen Antworten auf die relevanten Fragen beschäftigt, weil diese Fragen die unmittelbarste und ernstzunehmende Bedrohung für ihn darstellten. Die unschuldige Person weiß jedoch, dass sie die relevanten Fragen ehrlich beantwortet, und wird deshalb ihre Aufmerksamkeit eher auf die Gefahr richten, dass ihre Glaubwürdigkeit hinsichtlich ihrer Antworten auf die Kontrollfragen auf dem Spiel steht.»| 12
David Lykken - der Psychologe, der den Tatwissenstest bevorzugt (siehe Kapitel 6) - ist der Hauptkritiker des Kontrollfragentests (während Raskin den Tatwissenstest kritisiert). In seinem Buch über den Einsatz des Polygraphen schrieb Lykken: «Soll die Kontrollfragentechnik nach Plan funktionieren, muss man jeder Versuchsperson einreden, der Test sei nahezu unfehlbar (was nicht stimmt), während starke Kontrollreaktionen den Prüfling in Gefahr brächten (das Gegenteil ist wahr). Es ist unwahrscheinlich, dass alle Prüfer alle Testpersonen von beiden falschen Behauptungen überzeugen können.»| 13
Lykken hat recht, wenn er sagt, dass diese beiden Behauptungen, die der Verdächtige glauben müsse, falsch sind. Kein Anwender des Polygraphen glaubt an seine Unfehlbarkeit, nicht einmal sein unkritischster Befürworter. Natürlich macht der Apparat Fehler. Dennoch liegt Lykken wahrscheinlich richtig, wenn er hervorhebt, der Verdächtige müsse das nicht wissen.| e Weiß ein unschuldiger Verdächtiger um die Fehlbarkeit des Lügendetektors, könnte er während der Prüfung Angst davor haben, von einer fehleranfälligen Technik falsch beurteilt zu werden. Vielleicht reagiert ein derart misstrauischer, ängstlicher Verdächtiger auf die Kontrollfragen und auf die relevanten Fragen gleich, und wenn er auf jede Frage emotional erregt reagiert, kann sich der Prüfer kein Urteil über seine Schuld oder seine Unschuld bilden. Noch schlimmer ist: Ein unschuldiger Verdächtiger, der an die Fehlbarkeit des Polygraphen glaubt, könnte bei den verbrechensrelevanten Fragen mehr Angst empfinden und deshalb als schuldig eingestuft werden.| f
Die zweite Behauptung - starke Kontrollreaktionen würden ihn in Gefahr bringen - ist ebenfalls falsch, was allen Lügendetektor-Benutzern bekannt ist. Genau das Gegenteil ist wahr. Zeigt nämlich der Verdächtige mehr Reaktionen auf die Kontrollfrage («Haben Sie vor Ihrem achtzehnten Lebensjahr irgendetwas an sich genommen, das nicht Ihnen gehörte?») als auf die relevante Frage («Haben Sie die 750 Dollar
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