Ich weiß nicht, was ich wollen soll: Warum wir uns so schwer entscheiden können und und wo das Glück zu finden ist (German Edition)
noch etwas geben, das den Frauen zunehmend zu schaffen macht. Nur was?
In diesem Kapitel werde ich die Antwort auf das Rätsel im Wesen der Freiheit selbst suchen, in dem Umstand, dass eine Erweiterung von Freiheit und Wahlmöglichkeiten nicht nur angenehme, sondern auch unangenehme, ja geradezu frustrierende Seiten haben kann. Dabei soll nicht in erster Linie das Schicksal der Frauen im Vordergrund stehen, sondern das Thema Freiheit. Da aber Frauen in den letzten Jahrzehnten eine besonders starke Ausdehnung ihrer Freiheit erfahren haben, wäre es nicht unlogisch, wenn sie auch deren Schattenseiten besonders stark zu spüren bekämen, mit der Folge, dass ihnen ihr Glücksplus, das sie einst den Männern gegenüber genossen, verlorengegangen ist.
Wenn es jedoch wirklich so ist, dass Freiheit und viele Möglichkeiten auch ihre Schattenseiten haben, die uns aufs Gemüt schlagen können, dann müssten nicht nur Frauen von diesen Schattenseiten betroffen sein, sondern wir alle. Jeder von uns muss schließlich mit der Freiheit und den zahlreichen Optionen, die uns die heutige Welt bietet und denen wir uns nicht entziehen können – weil wir, sogar wenn wir sie nicht nutzen, immer wissen werden, dass es diese Optionen gibt –, fertig werden.
Na gut, selbst wenn diese Überlegungen einigermaßen plausibel sein sollten, bleibt immer noch die entscheidende Frage: Was sollten die Schattenseiten der Freiheit sein?
Zu viele Marmeladensorten verderben den Appetit
Ein urbaner Feldversuch. An einem gewöhnlichen Samstag in San Francisco bauen zwei Marketing-Studentinnen – Irene und Stephanie – in einem Delikatessengeschäft, gleich beim Eingang, einen Probiertisch mit Feinkostkonfitüren auf. Es gibt zwei verschiedene Tisch-Varianten, die die jungen Frauen stündlich wechseln: In der ersten Variante bieten sie der vorbeikommenden Kundschaft sechs, in der zweiten 24 Marmeladensorten zum Verkosten an. Wer daraufhin eine Marmelade kaufen will, kann das nicht direkt bei den Damen am Probiertisch tun, sondern muss dafür zu dem entsprechenden Gang im Geschäft, wo sich die Marmeladen befinden. Dort lauert ein weiterer Mitarbeiter des Versuchs, Mark, der die Kunden heimlich beobachtet.
Nach und nach stellen die beiden Studentinnen fest [7] , dass eine große Konfitürenauswahl deutlich mehr Kunden an ihren Tisch lockt als eine kleine Auswahl – nicht weiter überraschend. Doch was dann geschieht, ist bemerkenswert. Dem Spion Mark fällt auf, dass sich die Einkäufer je nach Tisch-Version unterschiedlich verhalten: Jene, die soeben von der großen Auswahl gekostet haben, wirken verunsichert. Lange bleiben sie vorm Marmeladenregal stehen, grübeln, zweifeln. Immer wieder prüfen sie die Marmeladengläser, und wenn sie mit jemandem zusammen im Laden sind, fangen sie an, die Vor- und Nachteile der Sorten zu diskutieren, was bis zu zehn Minuten dauern kann, woraufhin sie meist mit leeren Händen den Gang verlassen. Ganz anders dagegen die Kunden, die von der kleinen Auswahl gekostet haben: Sie scheinen genau zu wissen, was sie wollen, schreiten zum Marmeladenregal, nehmen ihre bevorzugte Sorte (»Zitronencreme«, bei der überwiegenden Mehrheit) und kaufen weiter ein.
In einer anschließenden Analyse der Daten kann die Leiterin des Versuchs, die US-Psychologin Sheena Iyengar von der Columbia University in New York, diese subjektiven Eindrücke bestätigen: Während 30 Prozent der Leute, die mit nur sechs Marmeladen konfrontiert worden waren, ein Glas kauften, entschieden sich bei einem Tisch mit 24 Sorten nur drei Prozent, also gerade mal ein Zehntel, zu einem Kauf.
Der Marmeladenversuch fand an zwei aufeinanderfolgenden Samstagen statt. Insgesamt beobachtete man dabei das Verhalten von über 750 Kunden. Die Grafik zeigt, was in einer durchschnittlichen Stunde geschah. [8]
Auf die wichtigste Erkenntnis in unserem Zusammenhang stößt die Psychologin Iyengar jedoch erst mit einem weiteren Versuch. Schauplatz ist diesmal das Labor der Forscherin, in dem ihre Mitarbeiter einer Gruppe von Testpersonen diverse Edelschokoladen anbieten. Die Auswahl besteht einmal aus sechs und einmal aus 30 verschiedenen Schokoladensorten, wobei es noch eine Kontrollgruppe gibt, die gar keine Wahl hat, sondern einfach eine bestimmte Schokoladensorte in die Hand gedrückt bekommt. Anschließend sollen alle auf einer Skala von 1 bis 7 bewerten, wie gut ihnen die Schokolade geschmeckt hat (je höher die Zahl, desto besser). Außerdem
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